Midas. Sündenstadt. Ein Tyrann der den stillen, ruhigen Lauf der mitternächtlichen Stunden verachtete. 

Oder vielleicht auch nur ein Mephistopheles noch böser als jeder andere hinterlistige Herrscher. Oder ein körperlich gewordenes Shangri-La den Saum ihres neon-leuchtenden Kimonos zusammen haltend, während sie die Seelen armer Wanderer mit Gelächter auf den Lippen verführt.

Midas verrottender Willen, Herz und Verstand sammelte sich kreuz und quer in stagnierenden Pools von nichts anderem beherrscht, als der Dunkelheit die niemandem gehörte.

Aus all diesen Gründen wurde Midas auch das Vergnügungsviertel genannt. Die berüchtigte Stadt war ein zentraler Teil der großen Hauptstadt von Tanagura, selbst geregelt von Lambda 3000, der gigantische Computer bekannt als "Jupiter". Sein virtuelles Gelände diente jeder erdenklichen Art von Unterhaltung, die Antwort auf die Wünsche und Bedürfnisse des menschlichen Fleisches. Man fand dort Kasinos, Bordelle, Bars und alle anderen Facetten der Unterhaltungsindustrie.

Innerhalb der Grenzen von Midas existierten keine Moral und Tabus. Nur die Nacht mit anzüglichen, verdächtigen und gönnerhaftem Glanz. Hier, verschwendete man die lauten und grellen Stunden bis in den Morgen.

Aber unter seiner glänzenden äußeren Fassade versteckte sich eine andere, weitaus dunklere: die groteske Visage von Midas die sich an den endlosen Banketts der Freude bedienten, wo die ungezügelten Instinkte der Menschen sich in ihrer Gänze zeigte.

Die grenzenlos leichtfertigen und verlockenden Lichtstrahlen verschwammen in der Dunkelheit, und am Fuße dieser gigantischen, fluoreszierenden Burg, baden sich die vollgepackten Horden in der trägen, lauwarmen Brise. Der einnehmende Hauch von Midas über den lustlosen Gliedmaßen eines Mannes war nichts anderes als ein Aphrodisiakum, jede Rationalität betäubend, Herz und Verstand in Gelee verwandelnd.

Aber wenn man weiterging über die Brücken die die beiden zentralen Ringe die den Kern von Midas - Area 1 (Lhassa) und Area 2 (Flare) - formten dann verschwanden diese Eindrücke sehr schnell. In einer Sekunde die die kalte Nachtluft brauchte um sie zu umschließen, veränderte sich die Landschaft komplett.

Die Außenbezirke von Midas. Genauer gesagt der 9. Bezirk Ceres. Der verachtete "Schritt von Midas". Die Slums. Selbst die Geschäftsinhaber der Vergnügungsviertel zogen ihre Augenbrauen in Missachtung zusammen und betraten niemals diese Grenzen.

Es gab keine harten, hohen Mauern die die Grenze zogen zu den anderen Arealen, keine verbietenden Laser die es den Menschen verbat hindurchzugehen. Dennoch, die Straßen die hier und dort trennten zeigten einen Unterschied in der Umgebung die jedem sofort auffiel, es sei denn er wäre blind.

Keine Menschenseele konnte man in den mit Müll und Unrat verdreckten Straßen sehen. Es war unnötig zu sagen, das die Flut der Neonlichter der Nächte in Midas eine weit entfernte Welt waren, die die verfallenen Wände der Gebäude nur mit einem dreckigen braunen Nachleuchten erhellten.

Seine merkwürdige und ausschweifende Erscheinung deutete an, dass die Zeit hier anders um sich selbst verlief, Vergangenheit und Zukunft in unerwartete Richtungen führte.

Genauso wie der unbarmherzige Enthusiasmus der sich aus den Vergnügungsvierteln erhob. Wie die koketten Stimmen, die Schmeicheleien, die der Wind verstreute. Nichts erreichte diese Einöde, außer der Verwirrung der ominösen Farbspiele.

Ceres war die Heimat der Nacht, Erde zurückgelassen in Staub der Umgebung. Jeder Versuch diese dampfenden Straßen zu reinigen war schon vor langer Zeit wieder untergegangen. Und jeder Versuch der Selbstreinigung und Verleugnung um die Gesellschaft wieder zu einer Gemeinde zu machen war ebenfalls vor langer Zeit gestorben.

Das einzige Geräusch das an die Ohren drang war das gelegentliche Seufzen von tiefer Resignation und Verdorbenheit, Tag und Nacht den Gestank von Fäulnis und Tod verbreitend. Nichts konnte in diesem vergifteten Boden gedeihen, keine Menschen und auch keine Stadt. An den ständigen Nieselregen in diesen Slums gewöhnt, verrotteten die Träume eines Mannes hier und starben schließlich auch.

Für die Bürger von Ceres, war der zentrale Mittelpunkt von Tanagura (wo alles immer und für alle Zeit in tadelloser Ordnung war) sehr, sehr weit weg. Eine unvorstellbar andere Welt. Hier war es ihnen nicht einmal erlaubt die Stiefel von Midas zu lecken, der eitlen Despoten der Nacht.

Sie lebten in Ceres mit der schmerzhaften Realität der Gegenwart und den geisterhaften Träumen der zerschlagenen Vergangenheit. Niemand hatte ihnen jemals einen Rosengarten versprochen.

An diesem Tag bewegten sich die schweren Wolken ungewöhnlich schnell über den Himmel. Das Wetter hielt sich irgendwie den ganzen Morgen, und wurde erst kurz vor Abend schlechter. In der Zeitspanne von nur 10 Minuten wurde aus einem plötzlichen Regenschauer ein heftiges Gewitter.

Der Regen trommelte unnachgiebig auf den Boden als wolle er die Slums selbst aus der Existenz schwemmen. Die Abflüsse in den eh schon müllbeladenen Straßen verstopften und liefen über. Ohne einen anderen Ausweg zu haben wurde das überlaufene Wasser zu einem Fluss und spülte alles mit sich weg.

Dann kam die Nacht.

Nachdem sich das zerstörerische Chaos zurückgezogen hatte hinterließ der Sturm einen mit Sternen erhellten Himmel. In dieser Nacht allein war die langweilige Dunkelheit seltsam, und erfrischend, klar.

Das nächtliche Ambiente allein erwies sich schon als erfrischend.

Im Angesicht des andauernden Regens am Nachmittag, hatten die Jugendlichen in den Slums die Stunden in ihren Unterkünften verbracht. Nun taten sie eifrig alles um die erhitzte Luft darin wieder zu entlüften.

Freunde betranken sich mit Alkohol oder stürzten sich in obligatorische Geschlechterkämpfe, begünstigt durch weitere Portionen von Arzneimitteln. Es war absolut nichts ungewöhnlich an den Gangkämpfen auf diesem engen Gebiet, die sich die Köpfe stießen und Ärger verursachten.

Das Kräfteverhältnis des 9. Areals wechselte zeitgleich mit den Jahreszeiten. Das sagend, sollte man natürlich auch bedenken, dass trotz der großzügigen Anwendung von Herbiziden, sicherlich neue Arten von Unkraut durch den Regen zum Leben erweckt werden würden.

Doch sie besaßen in den meisten Fällen so wenig Spucke und Feuer das selbst Klatsch und Tratsch über aufkommende Staatsstreiche und interne Rivalitäten nicht ernst genommen wurden. Diese Bandenkonflikte konnte man nur schwer als "Rivalität unter Kriegsherren" bezeichnen.

Der Ort stank zum Himmel mit den harten Männern und den Lasttieren, aber niemand hatte die Kraft und Persönlichkeit um sie in eine Reihe zu bringen und zu erobern. Am Ende war es allerdings nicht zu leugnen das diese andauernden Revierkämpfe, deren ansteigende Gewalt einen Großteil der Schuld trug, was die öffentliche Ordnung in den Slums anging.

Kürzlich war ein Kampf um die Vorherrschaft in Areal 9 entbrannt zwischen den Jeeks (einer neuen Generation von "Hyper kids") und Mad Dog Maddox, der seine verlorene Basis mit aller Macht erhalten wollte. Es wurde gemunkelt, dass dieser Kampf zwischen dem alten und dem neuen Regime bildete und die ganze Zeit hielten sich die mächtigen Dritten im Schatten und warteten darauf, im richtigen Moment zuschlagen zu können.

Es war Mode geworden, seit fast vier Jahren, dass man statt das eigene Leben und die Glaubwürdigkeit in die Waagschale zu werfen, sich einfach nahm was man wollte. Man fing an im Geheimen nach Abfällen zu wühlen - die Gewährleistung der gegenseitigen Zurückhaltung durch gegenseitige Rückgratlosigkeit - wurde zu einer gängigen Praxis.

In früheren Tagen war es Bison gewesen die die freie Feuerzone der Area 9, auch bekannt als "Hot Crack", beherrscht hatten. Aber auf dem Höhepunkt ihres Erfolges hatten sie sich plötzlich aufgelöst, und seither wurde kein Nachfolger gefunden.

Nun wurden es wohl entweder die Jeeks oder Maddox. "Alles was noch übrig bleibt ist das genaue planen des Gnadenstoßes." rühmten sich die Großmäuler. Aber um das durchzusetzen fehlte ein entscheidendes Element: die Stärke an Willen die Anhänger einwickelnd und die Macht der Einzelnen ins Unendliche multiplizieren würde.

Die Slums hatten mal einen Mann von solch außerordentlicher Ausstrahlung gekannt. Der Junge hatte das Guardian Waisenhaus im Alter von dreizehn Jahren verlassen, ohne eine besondere Stellung oder Privilegien, aber er hatte sich innerhalb von überraschend kurzer Zeit einen Namen in den Slums gemacht.

Es war nicht aufgrund seines beeindruckenden Auftretens.

Weder hatte er die Gunst nötig, noch gab er sich schnell geschlagen, und auch sein Vertrauen war nicht einfach zu verdienen. Jeder der ihn kannte war sich einig, dass die überlegene Art seiner Persönlichkeit, seine bloß 13 Jahre Lügen strafte.

"Er ist ein Regelmäßiger Varja," sagten sie. "Vertrau niemandem."

Alle Bewohner von Midas kannten das Fabeltier Vajra, der auch als Ragon, Dämonengott der Unterwelt, oder Grendel, der Seelenzerstörer bekannt war. Ein Raubtier das ein Körperglied bis auf den Knochen mit einem einzigen Bissen seines Stahlkiefers mit den messerscharfen Zähnen zermahlen konnte. Eine verächtliche Chimäre, sich in die Lüfte erhebend mit den vier Flügeln auf ihrem Rücken, ihr Mantel in einem bezaubernden schwarzen Glanz erstrahlend.

Einerseits wurde er mit Varja aufgrund seiner tiefschwarzen Haare und seiner violetten Augen, die selbst in den Slums als einzigartig galten, und ihn sofort als Mischling und Halbblut darstellten.

Auf der anderen Seite war es aber auch aufgrund seiner berechnenden Wildheit die sich hinter seinem Aussehen verbarg. Wenn "Überleben der Stärkeren" wirklich das Gesetz des Dschungels war, dann war die Suche der Schwachen nach der Nähe der starken Patronate eine Besonderheit des menschlichen Verhaltens.

Allerdings nahm er keine Notiz von diesen auftretenden und für ihn bedeutungslosen Komplimenten über ihn. 

Und obwohl auch verbunden verlangte er nie einen besonderen quid pro quo zurück. Es war vermutlich weil er immer an seiner Seite einen "Pairing Partner" hatte, jemanden den man als seine "bessere Hälfte" bezeichnen konnte. Und es war keine Übertreibung zu sagen dass er nur Augen für diesen einen Jugendlichen hatte.

Unter der Annahme dass eine Person im Laufe der Jahre erwachsen wird unter den Prüfungen des Lebens, gibt es auch diejenigen deren überlegener Charakter sich weder durch Geschlecht noch durch Alter ergibt. Jede seiner Bewegungen wurde mit einer fast eklatanten Neugier und Interesse studiert, und doch schenkte er all dieser Aufmerksamkeit wenige Gedanken in seinem alltäglichen Leben.

Doch es gab weder Zurückhaltung noch Gnade in seiner Hand die so bescheiden die Funken die seine Person erhellten wegwischte. Trotzdem erweiterte sich der Kreis derer die von seinem Charisma verzaubert waren und mit ihm als Kommandant der Truppe, war es nur logisch, dass Bison sich plötzlich zur Ansehen steigerte.

Aber dann kann dieser Tag. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel löste sich Bison in Luft auf. Die Slums sahen ungläubig zu, sprachlos vor Staunen. Weg, einfach so.

Es gab keinen wirklichen Grund. Gerüchte machten die Runde, das Riki sich von Bison zurückgezogen hatte.

Warum? Was waren die Gründe?

Ein außerordentlicher Schock raste durch die Slums, begleitet von einer Flut an Obszönitäten und übertriebenen Gerüchten getarnt als Vermutungen. Die Wahrheit der Auflösung Bisons blieb aber weiterhin ein Geheimnis.

Nur er konnte sie führen. Unabhängig von der Wahrheit hinter Bisons Ableben, fehlte Bison Rikis Schwerpunkt und somit hörte es einfach auf zu existieren. Und so starb Bison einfach aus und hinterließ nichts weiter als eine Legende in der Gegend.

Fast vier Jahre waren seither vergangen.

Die ursprünglichen Bison-Mitglieder hatten sich ständig immer wieder erneuert auf ihre eigene Weise (auch wenn es schwer zu sagen war ob sie darin einen guten Job getan hatten), und die Nachbarschaft war unaufhaltsam gewachsen.

Natürlich hatten in den vier Jahren mehrere Anwärter versucht sie abzuwerben und mit ihnen ihre eigenen Gruppen auf den Straßen zu stabilisieren. Bison hatte sich vielleicht aufgelöst, aber seine starke Präsenz war immer noch zu fühlen und die jungen Burschen die nur den kleinsten Teil dieser Herrlichkeit fühlen wollten machten immer wieder Versuche sie für sich zu gewinnen.

Auch wenn es viele gab die in der Öffentlichkeit als auch im Hintergrund behaupteten sie hätten die Reste der Bison-Gruppe in ihren Rängen, so widerstanden Rikis alter Partner und der Rest der Bison-Veteranen den Versprechungen, egal wie süß diese auch klingen mochten. Nachdem sie einmal den Nervenkitzel erlebt hatten an Rikis Seite zu sein, konnte nichts an seine Stelle treten.

Auf dieselbe Art wie stehendes Wasser schlecht wird, so ändern sich auch die Qualitäten eines Konfliktes mit der Zeit. Wer nicht auf der steigenden Flut reiten konnte, war dazu bestimmt ins Hintertreffen zu geraten und den Arsch eines anderen zu küssen.

So gesehen war die Wahl der ehemaligen Bison-Mitglieder eine Herzensangelegenheit. Deren vergangener Ruhm war grausam zu Schutt und Asche zerlegt worden. Die Vermeidung als läufige Hündin eines anderen in Demut zu leben war immerhin schon als Leistung anzurechnen.

Und nun tauchten diejenigen auf, die ihre Existenz einfach nur verachteten. Diejenigen die sich an den ultra-rechten Flügel klammerten waren Jeeks und Maddox. Jeeks der Hyper Kids und Mad Dog Maddox. Egal wie sehr sie auch ihren Einfluss in den Slums ausweiteten, die anderen Gruppen zeigten ihnen die kalte Schulter.

"Sie sind nicht wie Bison!" "Nachahmer! Nichts als Poser!"

Das war es was man über sie sagte und sie immer wieder mit Bison verglich, immer die gleiche ekelhafte, reflexartige Reaktion.

Bison. Bison! Bison!

Zweifellos waren die, die sich nun als Machtinhaber der Slums sahen genug von dem Namen. Sie konnten keinen Stolz darin finden gegen etwas anzutreten das nun eine Legende war und nur noch ein Schatten dessen was es einmal dargestellt hatte. Und das war der Grund warum sie versprochen hatten die verwesenden Überreste von "Bison" ein für alle Mal zu zerschlagen, und alles was damit verbunden war.

Die beiden kreisenden Monde waren noch nie so schön gewesen, den Nachthimmel in helleres Licht tauchend.

"Haa-haa-haa-"

Keuchend lehnte Kirie sein Gesicht gegen die bröckelnde Wand dieser Hintergasse und nahm einen langen, tiefen Atemzug. Er hatte sein Zimmer verlassen um sich mit den anderen am üblichen Treffpunkt zu treffen, um planmäßig mit seinen Freunden abzuhängen. Also was zur Hölle war los?

Hurensöhne! Drecksbande, ihr Niederen- Der Überraschungsangriff kam wie aus dem Nichts. Er hatte es irgendwie geschafft den ersten Schlag zu parieren, und dann war er gerannt, hatte versucht seine Verfolger abzuschütteln. Und jetzt, hatte er keine Ahnung wo er sich gerade befand.

Scheiße!

Sein Herz klopfte wie eine Trommel und der Schweiß rann in Strömen. Das Einzige was seinen fest zusammengepressten Lippen entkam waren die leise gemurmelten Flüche.

Scheiße! Scheiße! Scheiße!

Fluchen war gerade das einzige was er in seinem aktuellen Geisteszustand zusammenbrachte. Kirie wischte sich den Schweiß von seiner Stirn. Das war der Moment in dem er ein kleines rotes Licht am Rand seines Sichtfeldes in der Dunkelheit ausmachen konnte.

Instinktiv duckte er sich erschrocken. Als er das tat erkannte er jemanden der auf einem Schutthaufen saß, welcher vom anderen Gebäude auf der Gegenseite übriggeblieben war. Die verfallene Gasse war in die dunklen Schatten der Nacht gehüllt, nur spärlich durch das blaue Licht der beiden Monde über ihren Köpfen erhellt.

Der Lichtpunkt kam vermutlich vom aufglimmen einer Zigarette. Was zur Hölle dachte sich der Kerl nur hier eine Zigarette anzuzünden? Als er fragend eine Augenbraue hob hörte er wie sich Schritte in der Gasse näherten.

"Ist er da?"

"Naw. Sieht so aus als wäre er abgehauen." 

"Ich hab dir doch gesagt wir hätten ihn nicht so sanft behandeln sollen. Wir hätten gleich auf ihn losgehen sollen."

"Von was zur Hölle redest du? Der kleine Bastard war schnell." Die hohe Tonlage der Stimmen ließ den Anschein erwecken das es sich um Jungs handelte die noch nicht einmal den Stimmbruch erreicht hatte. Die Schatten flackerten irritierend. 

"Was machen wir jetzt? Er hat uns gesehen."

Die Atmosphäre die sie umgab war geschwängert von Angst und Anspannung.

Kirie war in der Unterzahl. Wenn sie ihn nun entdecken würden, dann hatte er wohl eine 1:10 Chance ohne schlimmere Verletzungen aus dem Kampf zu gehen. Diese Optionen durchdenkend versteckte er sich nur noch tiefer in den Schatten und der Dunkelheit, schaffte es nur mit Mühe seinen Atem unter Kontrolle zu halten.

"Große Sache. Wir zünden einfach ein Feuerchen unter seinem Arsch an. Das sollte doch genug sein, huh? Kein Nachdenken beim nächsten Mal. Da schlagen wir ihn zu Brei."

Kirie ballte seine Fäuste und biss sich hart auf die Zähne beim Hören dieser herzzerreißenden Bemerkungen. Klugscheißer-kids. Kirie selbst war ein Kind der Straße in dritter Generation aber die Gerüchte auf der Straße besagten das die Mitglieder der Jeeksbande Teenager unter fünfzehn Jahren waren. In anderen Worten, es waren noch angstlose Kinder die gerade erst begannen sich an die Unterschiede eines Lebens im Waisenhaus und eines Lebens in den Slums zu gewöhnen.

Aus demselben Grund hatte Bison sich so sehr aneinandergeklammert und war noch etwas extremer gewesen als die Jeeks. Im Alter von dreizehn Jahren wurden sie, ob sie es wollten oder nicht, aus dem Guardian geworfen. Auf sich allein gestellt mussten sie erwachsen werden, und das schnell.

Das war auch der einzige Grund warum die überlebenden Mitglieder der Gang für die Jeeks so ein rotes Tuch geworden waren. Er wurde es nie müde die widerbelebten Bison als blasse Imitation ihrer vorherigen Glorie zu bezeichnen, denn solange Bison existierte würden die Jeeks immer wieder mit deren "verstorbenem Image" verglichen werden.

Das Riki nicht nur ein gefallenes Idol war machte die Sache nur noch schlimmer. Sich verbeugend vor so einigen gewonnen Schlachten machte ihn zu einem Geist mit Vergangenheit und Referenzen.

Aber abgesehen davon was damals gewesen war, allein mit Bison in den heutigen Zeiten abzuhängen bedeutete ein Messer im Rücken zuhaben in den dunklen Gassen, und Kirie war genervt von der momentanen Lage. Und auch wenn er wusste dass es nur lahme Ausreden waren, die Ecke in die er sich selbst gedrängt hatte zerrte nur noch mehr an seinen Nerven.

Die Jugendlichen die nun mit den Jeeks herumhingen würden nicht eher Ruhe geben bis sie nicht jeden der mit Bison zusammen war an den Wurzeln beseitigt hatten.

Einer der hitzköpfigen Jeeks-Kids hatte nun endlich auch den Kerl auf dem Stapel an Schutt entdeckt der seine Zigarette angezündet hatte. "Hey, Wichser! Was machst du da?"

Die Frechheit und Arroganz in der Frage war die Art des Jugendlichen mit seiner Frustration über die entkommene Beute klarzukommen. Aber die Antwort war etwas das er nicht erwartete.

"Das ist kein Ort zum Abhängen mitten in der Nacht für Kinder. Also verzieht euch und rennt nach Hause."

Antwortete der Kerl in einer unerwartet befehlenden Tonlage und im Unterton musste wohl noch etwas Bissigeres mitgeschwungen haben in der Auffassung dieser furchtlosen Kinder. Kirie ertappte sich dabei wie er in seinen Bart murmelte. "Was für ein Idiot muss der Kerl doch sein."

Er wusste dass diese Kids vor ihm mit den Jeeks abhingen. Wenn dieser Kerl einen Kampf mit ihnen provozieren wollte, dann musste er Schultern haben so breit wie ein Anker. Wenn nicht dann war er der größte Idiot auf diesem Planeten.

"Wenn du wüsstest mit wem du hier redest, alter Mann, dann würdest du dir zweimal überlegen so eine große Klappe zu haben." Fuhr das Balg fort, versuchte seine angeschlagene Ehre als Mitglied der Jeeks zu retten. "Wenn du es nicht weißt, dann sind wir gerne bereit es dir zu lehren. Aber mach dich dabei nicht nass." Offensichtlich mit dem Gefühl beleidigt worden zu sein, gab der Junge es mit doppelter Münze zurück. "Jetzt ist es zu spät weinend nach Hause zu Mama zu laufen."

Jetzt waren sie erst recht scharf drauf sich mit ihm anzulegen. Um etwas Dampf abzulassen wirkte dieser Kerl wie das perfekte Ziel. "Yeah, das stimmt. Du redest hier mit Jeeks Gang."

"Jeeks?", schoss der Kerl zurück mit einem Unterton der an Enttäuschung grenzte. "Sorry, aber den kenn ich nicht. Ist er der der eure Windeln am Abend wechselt?"

Trotz des Sarkasmus in seiner Stimme zeugte seine Art zu sprechen davon dass es sich um keinen Scherz handelte und Kirie konnte nicht anders als ihn anzugaffen. Er muss krank im Kopf sein, diese Worte bildeten sich in einem Atemzug von Unglauben.

"Du kennst sie nicht? Du kennst die Jeeks-Gang nicht? Wie dumm musst du eigentlich sein?"

"Schon okay. Wenn er sie nicht kennt dann werden wir es ihm lehren." "Genau richtig. Innerhalb einer Sekunde dieses beschissenen Lebens." Die Kids hatten sich schon bereit gemacht. Und doch sprach der Kerl weiter.

"Ihr denkt ihr kennt die Slums. Das ist was anderes." Er ließ sich nicht zur Eile drängen, egal in welchem Moment.

"Komm runter, alter Mann. Wir stopfen dir dein Maul und reißen dir ein neues auf."

"Okay, okay. Dann lasst uns mal spielen. Zeit ist kostbar." Der Kerl kletterte von dem Schuttberg.

Ein Lasermesser schnitt durch die Dunkelheit. Doch statt in Panik zurückzuweichen trat er einfach nur zur Seite, griff nach dem Arm des Kindes und lieferte einen kräftigen Schlag im Gegenzug. Als das Kind das Gleichgewicht verlor trat er in einem Rund-kick erneut gegen den Körper.

Ein unwirklicher Schatten fiel um sie. Keine Chance.

Pure Faszination. Absolut keine Chance. Sie mussten träumen.

Es war nicht einfach nur die einfache Überlegenheit in körperlicher Stärke. Die so präzise Abwehr und Gegenattacke erwischte jeden in Überraschung. Sie stolperten zurück und staunten. Die "Jeeks"-Art zu kämpfen war es ihr Opfer zu jagen und einzukreisen, dann sich zusammenzuschließen und es da zu treffen wo es am schwächsten war. Sie trödelten nicht. 

Sie machten ihre körperliche Schwäche durch Anzahl wieder wett und lieferten Schmerzen, so sehr das derjenige der um Gnade bettelte, winselte wie ein Baby, wegkriechend wie ein unglückliches Wrack, immer das Opfer seiend.

Aber dieser gut-geübte Spielplan war einfach durcheinandergebracht worden von einem einzelnen Mann-

Gefangen in der Dunkelheit murmelte Kirie zu sich selbst. "Heilige verdammte Scheiße."

"Ein Auge für ein Auge, das ist das Gesetz der Slums. Aber wo wir schon dabei sind das gleiche gilt für Muskeln und Knochen." Der Mann trat selbstsicher in das Licht einer Straßenlaterne, als würde er aus den dunklen Schatten ins Rampenlicht treten.

"Mir ist es egal. Wenn ihr rennen wollt, dann ist jetzt der Zeitpunkt dafür." Er verzog ganz leicht die Mundwinkel. "Ansonsten, wie wäre es wenn wir so weit gehen bis Blut fließt?", fragte er herzhaft lachend.

Freitagnacht.

Ein ungewöhnlicher Mondregenbogen wölbte sich über den Himmel der tiefen, stillen Nacht. In einem Zimmer eines eingestürzten Gebäudes das sie als Unterschlupf und Hauptquartier verwendeten, saßen die nun legendären Mitglieder von Bison und schlugen die langen und ermüdenden Stunden tot.

Einstmals hatten sich diese Raufbolde einen Namen gemacht, in den Slums wo sie alles auf den Kopf gestellt hatten. Aber diese Zeiten waren vorbei, sie zeigten nichtmehr ihre Zähne und Klauen bei jeder Provokation. Oder sagen wir mal so dass war es, was ein Beobachter nun von ihnen sah.

Die Arbeitsrate war miserabel für Kinder die morgens und nachts damit verbrachten Gangrivalitäten auszuleben, was dafür sorgte das die Slums grundsätzlich schwach an Arbeitskräften war. Mal von der aktuellen Qualität der Jobs abgesehen, war etwas zu essen auf den Tisch zubringen wie "reguläre Menschen" kein Problem.

Zugegeben hatten sie als Slumbewohner allerdings auch keine wirkliche Idee was "reguläre Menschen" als Lebensstandard ansahen.

Selbst ohne Träume und Sehnsüchte, arbeiten unter dem Druck der Ohnmacht und Stagnation, hatten die Menschen zu essen. Hunger bildete die Grundlage der menschlichen Hierarchie an Bedürfnissen. Niemand in den Slums wünschte sich Liefermahlzeiten oder sechs-Gänge-Menüs, aber auch niemand wünschte sich zu hungern und den Hungertod zu sterben.

Essen war nicht gleichmäßig verteilt, sondern danach wer hart gearbeitet hatte, und es war auch nur dann wenn sie in den späten Zwanzigern waren und ihre Launen der Jugend sich gefestigt hatten, dass sie den Griff der harten Realität erkannten. Auch wenn diese Erkenntnis sie meist schneller traf als sie es erwartet hatten.

Eine Flasche von "Tripper", einem harten, halluzinierendem Getränk herumreichend, sprach Kirie plötzlich den Gedanken aus der ihm zugeflogen kam. "Habt ihr schon gehört? In Mistral soll ein Markt eröffnen."

"Ein Markt?" beanstandete Sid während er überrascht eine Augenbraue hob. "Du meinst wohl eher eine Petversteigerung?"

Kirie nickte nur. "Es heißt dass es diesmal Acadamy-hergestellte Pets sind. Sie springen alle schon vor Vorfreude im Dreieck, genauso wie die neuen Geldquellen in Kahn und Regina. Die Gerüchte sagen dass die Gebote zehnmal so hoch sein sollen wie normal."

Woher zum Teufel wusste er das denn nun schon wieder? Sie alle hatten ihre Informanten auf der Straße aber Kirie wusste immer alles als erstes.

"Reinrassige Reinblüter also?" murmelte Guy zu sich selbst.

"Das hat doch nichts mit uns zu tun", schoss Luke zurück.

"Nicht das wir uns mit diesen Acadamy-hergestellten Pets vergleichen könnten, aber mit der richtigen Menge an Zeit und Geld, plus etwas Spucke und Politur und wir würden auch nicht halb so schlecht aussehen. Abgesehen von etwas Fehlverhalten. Eh, Riki?"

Kirie wandte seine unterschiedlichen grauen und blauen Augen Riki zu und lachte. Als wollte dieser seinem Desinteresse Ausdruck verleihen trank Riki einen großen Schluck aus der Flasche. Diese übertriebene Zurschaustellung seiner Art brachte Kirie dazu seine Augenbrauen zu verengen. Immerhin war ignoriert werden vor allen anderen noch irritierender als sich mit ihnen uneinig zu sein.

Selbst als Bison ihn als einen Außenseiter in ihren Reihen aufgenommen hatten so hatten sie ihn doch nie missachtet wie Riki es tat. Rikis Verhalten ihm gegenüber fühlte sich wie ein harter Schlag ins Gesicht an.

Sohn einer - 

Zähneknirschend erinnerte sich Kirie an die Nacht in der Guy unerwartet Riki an diesen Treffpunkt mitgebracht hatte. Sie waren alle für ein oder zwei Sekunden zu überrascht gewesen um etwas zu sagen und dann, in der nächsten Instanz hatten sie alle seinen Namen in warmen und ungewöhnlich lauten Stimmen wiederholt.

"Riki-!" "Riki?"

"Sie sagten Riki? Wirklich?"

Kirie kannte ihn. Da genau vor seinen Augen standen die schwarzen Haare und Augen die von einer Acadamy-hergestellten Qualität hätten sein können. Dies war der Mann der in den Slums einst als "Charisma" bekannt gewesen war.

Kirie konnte selbst jetzt sich noch an die unaussprechliche, fast schon berauschende Faszination erinnern die ihn überkommen hatte, und das war alles nur wegen der Nacht drei Tage davor. Es hatte ihn wie den Blitz getroffen ob es nun purer Zufalle war oder unabdingliches Schicksal das der Mann der Bison anführte der gleiche war, der sich den Jeeks-Kindern in den Weg gestellt hatte, der selbe Jeeks, der ihn abgestellt hatte um Bison auszuspionieren, und ihnen dann gründlich den Arsch versohlt hatte.

"Ironie", musste er es wohl nennen. Nein, ein gottgesandter.

Als er diese lebende Legende das zweite Mal gesehen hatte, diese Legende von der er geglaubt hatte er würde sie nie wieder sehen, erregte Kirie in den Kern seines Wesens auf anderer Art als die anderen Mitglieder von Bison.

Aber er hatte keine große Sache daraus gemacht was in der Nacht geschehen war. Also warum zeigte Riki nur ihm die kalte Schulter? War es weil er, unter allen Bandenmitgliedern der einzige war dessen Gesicht Riki nicht kannte? Vielleicht hatte die Legende einfach auch keine Lust eine besonders familiäre Unterhaltung mit jemandem beim ersten Treffen zu führen.

Aber selbst wenn er diese Faktoren in Betracht zog, fühlte Kirie sich nicht besänftigt. Als Resultat zog er sich zurück und reagierte auch nicht auf die Unterhaltung um ihn herum. Er verstand nicht warum. Vielleicht konnte Riki ihn auch einfach nicht leiden, er hatte immerhin das Gefühl seit er ihn das erste Mal gesehen hatte. Oder vielleicht hatte auch irgendwer ihm irgendwas erzählt. Niemand hatte ihm etwas direkt ins Gesicht gesagt.

Der Blick den Riki ihm schenkte hatte einen Haken an sich der keine andere Auslegung deutete. Ein sarkastisches oder bissiges Kommentar wäre willkommener gewesen, denn in dem Fall, hätte er eine Gegenantwort gehabt. Aber Riki gab ihm diese Chance nicht.

Weit weg davon. Kirie war komplett brüskiert, eine Tatsache die ihn deprimierte. Er verengte die Augen vor Wut. Offensichtlich blind all diesem gegenüber machte Riki nicht die Anstalten den Blick zu senken sondern starrte weiterhin in die Ferne. Kirie runzelte die Stirn als die Tatsache erkannte das seine Unterhaltung abgeschnitten worden war und das regte ihn nur noch mehr auf.

Genau in dem Moment, als hätte er auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, fragte Guy leise. "Was ist mit dir Kirie? Willst du etwa ein personalisiertes Halsband?"

Kirie schnalzte leicht mit der Zunge über die verpasste Gelegenheit. Er holte tief Luft um seine Sinne zu sammeln und antworte mit einem gezwungenen Lachen. "Ja sicher. Wenn dieser Besitzer mich mit diesem harten Dubliner Bier beliefern kann dann bin ich bereit die Sohlen seiner Füße zu lecken."

Dieser Kommentar kroch irgendwie unter Rikis Haut.

Sein undurchsichtiger Ausdruck wurde plötzlich so kalt das Kirie unbewusst die Fäuste ballte. Er verstand die Gründe nicht die dafür sorgten das Rikis eiserner Blick sein Blut zum Gefrieren zu bringen schien. Die Schlagkraft von Rikis Unmut fühlend waren seine angestauten Frustrationen bereit in Flammen aufzugehen.

Was war mit diesem Motherfucker denn nur los!

Kirie wurde von diesem frostigen, stillen Blick in den Bann gezogen und konnte einfach keine Worte finden für das erstickende Gefühl der Entrüstung das sich in ihm ausbreitete. Alles was blieb war die persönliche Verachtung seiner eigenen Ungeschicklichkeit und die brannte ein Loch in seine Magengrube.

In diesem Moment, an seiner rechten Seite sitzend, sprach Luke mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. "Hey, wach auf du Trottel. Du denkst doch nicht wirklich ernsthaft darüber nach ein niederes Slumpet zu werden oder?"

Niemand lachte. Denn es war einfach nur die reine Wahrheit und nicht etwas über das die Menschen scherzten und Witze rissen. In einem eindeutigen Versuch die unangenehme Atmosphäre aufzulockern unterbrach Norris mit gespielter neugieriger Stimme. "Ist doch egal. Was ist eigentlich mit Jeeks und dessen kleinen Ratten?"

"Ja ja, ich hab keine Ahnung warum aber momentan gehen sie uns wirklich ziemlich auf den Sack."

"Aber ich hab gehört das gestern einige von ihnen jemandem begegnet sind der sie wirklich windelweich geprügelt hat." Es ein Gerücht zu nennen streute Kirie seine Informationen unauffällig ein während er einen Blick auf Riki warf.

Riki reagierte nicht im Geringsten.

"Nun, der wird dann wohl gottgesandt gewesen sein. Wir sollten aber auf alle Fälle auch die Gelegenheit nutzen mal wieder unseren Standpunkt klar zu machen. Für Anfänger würde das mal wieder die Begebenheiten hier aufzeigen."

Ohne Anzeichen darauf ob er zuhörte oder nicht, senkte Riki seinen Blick und trank den letzten Schluck aus der Flasche. Der Alkohol berührte seinen Mund mit der bestimmten Bitterkeit die sich in seine Zunge stach, und doch brachte dies ein anderes Gefühl mit sich als Riki es sonst kannte. Dieses Mal war es stärker und schwerer und dunkler, in einer Art die schwer zu beschreiben war.

Muss meine Einbildung sein.

Riki schluckte den Alkohol langsam herunter während er den Gedanken in seinem Kopf verfolgte. Wenn es etwas geben sollte das seine Brust erwärmen sollte, dann war es besser von etwas high zu werden das etwas sanfter auf der Zunge warm, aber das hier war das Beste was er hier erwarten konnte.

Zwischen den Gesprächen um Bandenkriege hatte er sich irgendwann ausgeklinkt und sich eine gewisse Distanz geschaffen zwischen sich und den wilden Augen der Kindern in diesen Vergnügungsvierteln die nur auf Nervenkitzel und Gewinne aus waren. Aber das bedeutete nicht, dass er "die Ursache" aufgegeben hatte und sich nicht auch sein Täglich Brot im Schweiße seines Angesichts erarbeitete.

Jedes Jahr strömte mehr junges Blut in die Area 9, aber die Slums, die wie Arterien durch das Herzen Ceres liefen, hatten sich bereits ausgehärtet, und niemand besaß die Willenskraft die Truhe aufzureißen und die Infektion der lebenswichtigen Organe dort zu leeren.

Ohne ihren großzügigen Sugar-Daddy war niemand da den sie um Geld anschnorren konnten. Diese Kerle, die kaum in der Lage waren auch nur irgendeine Art von Freude in ihrer eigenen Jugend zu extrahieren, fanden das das luxuriöse, halluzinogene Ale nichts anderes als ein Traum war.

Ein Traum. Selbst das Starkbier an dem sie gerade arbeiteten. Drei Tage zuvor hatte Luke einen Bestand von sogenannter "Klassenware" aufgetrieben, aber das bedeutete nicht unbedingt dass er die Ware nicht vorher testen würde ob sie das wirklich war. Das Starkbier wurde als zulassungsüberschreitende Stimulanzien gebraut. Es war Mondschein. 

Ein Glas in einem Schluck zu leeren war eine ziemlich brenzliche Sache. Wenn ein Kerl das Glück gegen sich hatte dann war er weit entfernt von einem "schlechten Trip": nach einer gehörigen Portion schlug das um und er wand sich vor Schmerzen, das Endergebnis war Tod durch Ersticken.

Das hatte dem Alkaloid-basierenden Rauschmittel einen schlechten Ruf eingebracht, und zweifellos war der Grund dass das Schlimmste gerade am besten zu den Slums passte.

Doch wenn jemand es wirklich schaffte dann war es ein Trip ohne Mautstellen oder Ausfahrt. Er saß da in einer mit Phantasma-gefüllten Euphorie, seine Lippen formten bloße Worte, der Atem der seine Lippen verließ wie Schotter unter seinen Füßen klingend.

Das Starkbier half den Slumkids die Last zu ertragen die auf ihren Schultern lastete und gab ihnen ein Ventil für ihre Frustrationen. Auch wenn die Wahrheit zur Macht gesprochen wurde, so blieben ihre Seelen ungestillt. Und immer gab es das Problem das sie einfach zur Seite geschoben wurden, zusammengefasst in dem einfachen Satz: "So ist die verfickte Welt einfach."

Das Starkbier befreite sie, wenn auch nur vorrübergehend aus dieser Existenz. Niemand sagte ihnen dass ein Junge niemals zulassungsüberschreitende Rauschmittel verwenden sollte, nur weil sie "gefährlich sein könnten".

Die Unterhaltungen hatten sich im Sande verlaufen und die schweigende Stille setzte sich langsam wieder zwischen ihnen ab.

In dem Moment, als wenn eine Biene sich unter seine Mütze geschlichen hätte, sah Luke auf und blickte Riki an. "Was ist mit dir los Mann? Du sitzt hier auf deinem Arsch, schaust betreten drein. Ich meine das ernst, du siehst erbärmlich aus."

Etwas schien in Lukes Blick zu lauern als er seine Augen über Rikis Körper gleiten ließ wie eine Katze ihre Zunge übers Fell gleiten lässt.

"Ich will damit nicht sagen dass du dich zu einem alten Greis verwandelt hast der immer und immer wieder die alten Kriegsgeschichten erzählt."

Es war immer so. Da war eine Rauheit in der Stimme und ein Blick in den Augen die ihm die Haare zu Berge stehen ließ. Riki schob es auf die Wirkung des Bieres die langsam einzusetzen schien und schenkte ihm keine weitere Beachtung.

Herzschläge maßen langsam die Zeit, brachten allmählich wieder die Stärke der Männlichkeit zurück in die Glieder in einem seltsamen, wogenden Rhythmus. Sich an die Lehne des Sofas lehnend streckte Riki Arme und Beine aus während er einen tiefen Atemzug nahm.

Er schloss seine Augen. Er konnte nichts sehen, nichts hören. Er fühlte nur die schwache Regung nach etwas wie Schlummer. Sein Körper und seine Seele waren fasziniert von den hypnotisierenden Empfindungen, und umso Seeliger mit jedem weiteren Atemzug. 

Die Dunkelheit hinter seinen geschlossenen Augenlidern rührte sich. Wie in einem Kaleidoskop sprangen Farben in sein Sichtfeld, Riki verlor das Interesse an allem, aber die angenehme Taubheit erfüllte ihn. 

Und dann glaubte Guy, der über seine Schulter hinweg zu Riki blickte, das schwache Lächeln im Gesicht des anderen zu erkennen das er die fehlenden drei Jahre vermisst hatte, und er senkte den Blick.