Der Slum ist ein Monster das die Seelen der Jugend frisst und die Überreste ausspuckt. 

Irgendjemand musste das mal irgendwann gesagt haben, und alle Bewohner der Area 9 wussten, dass es wirklich die reine Wahrheit war. Und all jene die es wirklich geschafft hatten den Slum zu verlassen wurden nun mit einer tief-verwurzelten Verachtung, und einer Eifersucht die noch verletzender ist als ein normaler Mensch denken würde.

Verrottend an der Straße, die alten Bewohner - für die nichts anderes mehr übrig blieb als alt zu werden – blieben keine Träume mehr übrig. Das war nicht unbedingt gut oder schlecht. Die Tag-für-Tag Realität, die ihre einzige Hinterlassenschaft war, war schlimmer als nur Sand zu essen.

Nun versuchten sie verleumderische Schmach über die zu bringen die diese schmerzhafte Realität zerstören wollten, ein totes Spiel das langsam ihre Seelen auffraß. Es war ein Dilemma.

Ein Mann kann ohne Träume nicht fliegen, aber ein Mann der nie geflogen ist kennt auch nicht die Angst vor dem fallen. Jede Hoffnung auf Fortschritt war abgelehnt. Obwohl diese Wahrheit vor niemandem verborgen wurde, so würden diese Menschen ihre Flügel abnehmen und wegwerfen, um dann zu sagen das sie, wenn sie es nicht täten sicher sterben würden.

Die Realität, die die „Mauern“ dieses Slums formte, war so dick, die Dunkelheit so schwarz.

Konsequent wurden die die diese Mauern herausforderten, auch wenn sie wussten das sie niedergeschlagen werden würden, „Martians“, nach dem Römischen Gott des Krieges, genannt. Sich selbst bis in die Verderbnis des Selbstmitleids betrinkend, diese die sich hinter diesen Worten versteckten wussten, das ihnen die Schuhe der „Martians“ niemals passen würden.

Riki hatte einst das gleiche gesagt immer und immer wieder, wie ein Mantra. Er hatte seine wahren Gedanken nur Guy gegenüber offenbart, der Pairingpartner der seine „bessere Hälfte“ war. Irgendwann werd ich den Slums den Rücken kehren.

Bis dahin war jeder, der das gleiche gesagt und die Slums verlassen hatte mit gefallenen Träumen und hängenden Schultern nach noch nicht einmal einem Monat wieder zurückgekehrt. Ohne auch nur einen Funken an Angst legte Riki all seine Zuversicht in seine Worte und sah in die Zukunft.

Irgendwann. Ganz sicher.

Vier Jahre zuvor.

Drei Monate waren vergangen seit Bison sich unerwartet aufgelöst hatte wie ein Flugzeug im Bermudadreieck. Spät in der Nacht war Riki noch zu Guys Schlafplatz in einer Mauer aufgetaucht.

„Hey, bist du in Ordnung?“

Sobald er die Tür geöffnet hatte empfing der schwere alkoholische Atem ihn und Guy musste sich wegdrehen. Auch wenn Riki trank so war er nie ein Säufer, aber heute roch er für Guy als hätte er in Schnaps gebadet.

Riki in diesem Zustand zu sehen erregte Guy auf einem hohen Level der Sorge. Bevor er ihn überhaupt einlud einzutreten hob er fragend eine Augenbraue. „Riki, was ist los?“

Eindeutig sich nicht um sein eigenes betroffenes Auftreten kümmernd lehnte Riki sich etwas nach vorn, schwankend, mit den Mundwinkeln ein kleines Lächeln formend. „Ein kleines Geschenk“, sagte er und drückte etwas gegen Guys Brust.

Guy hatte die Gerüchte gehört wenn es darum ging eine Markenfälschung zu bekommen, ganz zu schweigen von der echten Sache, und dieses Starkbier wurde unter astronomischen Summen gehandelt die nicht einmal Gott sich leisten konnte. Guy schluckte trocken, „Wo zur Hölle hast du das her?“ fragte er mit heiserer Stimme.

Riki kicherte mit einem unterdrückten Lächeln. Es könnte das echte Zeug sein oder auch nur eine Fälschung mit selbstgebranntem. Wenn er sich Rikis dünne Lippen und dessen leicht geöffneten Mund ansah war Guy nicht einmal annähernd in der Lage zu ahnen was in dessen Kopf vorging. Und als wenn er die Neugierde seines Freundes noch weiter strapazieren wollte, sprach er äußerst langsam. „Du bist scheinbar in einer sehr guten Stimmung. Hast du nenn reichen Fang gemacht?“

Er betrachtete ihn sanft. Riki warf sich auf das Bett als wäre er zuhause und murmelte: "Ja, so ähnlich." Er hob die schweren, trüben Augen und schnaubte durch die Nase. "Dennoch ist der Roget Renna Vartan ziemlich beeindruckend."

"Ist das ein Scherz?"

"Huh? Ich bin einfach nur über einen guten Jahrgang gestolpert an den man nicht einmal zu glauben wagt und wollte die Freude nur teilen. Du denkst doch nicht etwa das ich den zusammengepanscht habe?"

Mit diesen Worten rollte sich Riki lachend zusammen, seine Stimme nahm einen kreischenden Ton an. Guy war sich nicht sicher ob das laute Lachen eine Reaktion auf den Alkohol war oder einer Art von stocknüchterner Selbstverhöhnung, und er konnte nicht das wachsende Gefühl der Vorahnung unterdrücken.

Wenn seine Erinnerung ihn nicht täuschte dann war das vermutlich das erste Mal in einer sehr langen Zeit das Riki eine mörderische Reise durch Midas bei Nacht gemacht hatte. Das war es was auch zu der plötzlichen Änderung in seinem Auftreten gezählt werden konnte.

Guy steckte seine Hände in Rikis Taschen und fand sie prall gefüllt mit Prepaid-Kreditkarten. "Du hast mehr als genug davon nicht wahr? Dann lass uns gehen, bevor du der Schlange zu tief in die Augen siehst."

Riki hatte mit einem spielerischen Tritt in Guys Hintern geantwortet. "Lady Glück liebt mich heute ausdauernd und hart. In Zeiten wie diesen verlangen es die guten Manieren das ich sie auf die gleiche Art und Weise zurückliebe. Du gehst vor Guy. Ich werde mich noch an eine weitere Runde machen."

Riki lachte furchtlos und verschwand in der Menschenmenge. Das war das letzte Mal das Guy ihn an diesem Tag gesehen hatte.

Zu der Zeit war Guy nicht wirklich beunruhigt gewesen. Auch wenn sich Riki für gewöhnlich immer ziemlich weit aus dem Fenster lehnte so war er doch der letzte der versuchen würde eine dumme Sache durchzuziehen. Guy war sich sicher das er in größter Freude verschwunden war und sich irgendwo eine Bar gesucht hatte um die Nacht trinkend zu verbringen.

Aber wenn Guy jetzt darüber nachdachte, dann war er sich sicher das diese Nacht der Anfang von etwas war, etwas war da draußen passiert aber Riki hatte nicht die kleinsten Anzeichen dazu gemacht.

Einen Monat später ließ Riki die Bombe platzen:

"Guy, ich werde Bison verlassen."

Damals bevor sie sich die Könige des Dschungels nennen konnten, hatte Bison sich geformt um einige Neulinge zu beschützen die keine Begleitung und keine Verbindungen zu den Kolonien hatten und vermutlich von anderen Banden bei lebendigem Leibe gefressen worden wären.

Die Mächtigen nährten sich von den Schwachen. Sie kämpften, dafür existierten sie. Das war die schmerzhaft einfache Logik der Macht der Slums. Die Starken übernahmen die Erde - warum sollten sie auch nicht?

Diejenigen die herrschten und die nächste Kampfrunde ums Dasein erreichten hatten, erworben das Recht laut ihre eigene Gerechtigkeit zu verkünden. Schmeichler und Nörgler brauchten sich nicht bewerben. Vertraue niemandem. Ob gut oder schlecht, diejenigen die sich ihren Platz in der Welt erkämpfen konnten würden ihn behalten.

Das Beste war stark zu werden und Ärger zu vermeiden. Das war die Regel in den Slums. Selbst wenn schwache individuelle, große Macht entwickelten indem sie sich in einer Kombination zusammenschlossen. Wenn diejenigen die individuell mittellos waren ihre Kräfte bündeln würden dann hätten sie eine gute Chance als Union die Macht zu erreichen. Riki war zum Katalysator geworden, der Dreh- und Angelpunkt der es möglich machte.

"Sich zurückhalten und auf sicher spielen garantiert nichts." Das war Rikis Politik seit seiner Kindheit im Guardian Waisenhaus.

Aber Riki sagte auch: "Das heißt aber auch nicht das sich die geringste Neigung habe die Kritik für irgendwelche wildfremden Menschen zu fangen." Abgesehen von seiner endgültigen Entscheidung, aus der Notwendigkeit hervor, der Anführer von Bison zu werden hatte er keinen besonderen Drang nach dieser Position geschweige denn eine besondere Bindung zu ihr.

Er konnte es nicht tolerieren wenn Menschen versuchten ihn zu etwas zu zwingen, Menschen die Samthandschuhe trugen die ihre Fäuste geschickt verdeckten. Oder die lästigen Hintern die durch gutes Zureden. Oder Grifters die ihre Erlösung auf dem Rücken anderer kauften.

Die Zuneigung, die Rikis Ministranten für ihn hatten verbrannten mit einer weißen heißen Flamme, aber mit der einzigen Ausnahme von Guy, loderten Rikis schwarze Augen nie mit der gleichen Hingabe ihnen gegenüber. Trotzdem war die Präsenz von Riki bezaubernd, und es erregte in ihnen eine Art Euphorie.

Und somit schlossen sich erst Guy, und dann Sid, und dann Lukas und wegen diesem, auch Norris, Riki an und bildeten die Säulen dessen Thron auf seinem Charisma geschultert war. Sie hatten ihre eigenen Wünsche. Sie träumten ihre eigenen Träume. Und sie strebten darum die Opposition zu versenden und die Anführer in den Slums zu werden.

Aber als Riki, aus welchen Gründen auch immer abdankte, hatte niemand den Wunsch, sein Nachfolger zu werden und deshalb war Bison zerfallen. Als Außenseiter sah man mit Erstaunen wie es in die Nacht verschwand ohne einen Kampf.

Ist er nicht der der dort hineinstürmt wo Engel sich fürchten sich zu bewegen? Die Slums streuten Gerüchte, und die Art wie sich die eifersüchtigen Gespräche verbreiteten zeugten davon das er angeblich viel Geld bekommen hatte. Kurze Zeit später als schon jeder daran zweifelte ihn je wieder zu Gesicht zu bekommen, tauchte er plötzlich wieder auf mit einer Kiste voll teurer Spirituosen die man in den Slums wohl noch nie gesehen hatte.

Während er alle die ihn aufgeregt begrüßten schenkte er ihnen nur ein breites Lächeln, war er dennoch nicht berauscht von den Blicken aus Neid und Eifersucht, die er erhalten hatte. Weit davon entfernt. Guy und die anderen dachten das sie etwas in Rikis unergründlichen schwarzen Augen entdeckt hatten, die Intensität eines angeschwollenen und unstillbaren Hungers.

Nicht nur Guy und die Anderen wollten es wissen, sondern jeder in den Slums wollte wissen woher sein plötzlicher Reichtum kam.

"Yo Riki. Du isst doch nicht etwa an dem Trog einer dieser Neureichen, oder?"

"Niemals. Du glaubst doch nicht echt das jemand so einem wilden Hengst wie Riki einen Maulkorb aufsetzen könnte?"

"Also was ist dann die richtige Geschichte?" Ihn ins Kreuzverhör nehmend warfen sie mit Sarkasmus um sich und doch machte Riki sich nicht die Mühe mit etwas anderem als vagen und unverbindlichen Antworten zu reagieren.

Sie bedrängten ihn nicht weiter.

Selbst wenn sie nicht länger als 24/7 zusammenhingen, war Riki immer noch der selbe Riki, und erweckte somit auch nicht mehr als nur diesen erwarteten Anteil von Antipathie und Eifersucht.

Nein, das war es nicht.

Seine auffälligen rabenschwarzen Haare und seine Augen aus Obsidian, zusammen mit der lebendigen Ausstrahlung seiner geschmeidigen Glieder waren noch intensiver geworden. Riki war frei von den Fesseln zu denen Bison geworden war, und einige Leute dachten sogar das er die Brillanz seiner wahren Natur zurückerobert hatte.

Niemand fasste diese Gedanken in Worte aber siehatten erkannt das die Unterschiede zwischen ihnen und Riki sich vergrößert hatten. Die sich dessen halb bewusst waren hielten sich zurück um zu verhindern das ihre kindische Eifersucht dafür sorgte das sie die Einstellung zum Leben verloren, wollten nicht die Ketten in zwei reißen die sie und Riki verbanden.

Guy konnte nicht anders als sich zu sorgen. Nicht als Mitglied von Bison sondern als Rikis Pairingpartner der immer an seiner Seite war.

"Hey Riki, du willst doch sicher nicht so sehr auffallen wie jetzt oder."

"Warum zur Hölle siehst du mich plötzlich so an?

"Versuch nicht mir jetzt das Fell über die Ohren zu ziehen. Gib mir eine Antwort."

Guy ärgerte sich weil er Rikis emotionaler Angelpunkt sein wollte. Das war es was er wollte, und das war es, was er hoffte das es auch weiterhin so sein würde. Aber woher kamen dann diese seltsamen Gefühle der Irritation? Oder die Illusion das die Verbindungen mit Riki und ihm sich Stück für Stück aufzulösen schienen? Oder das Riki nicht einmal seine wachsende Unruhe zu bemerken schien?

Riki seufzte schwer und sprach mit unterschwelliger Stimme. "Weißt du Guy, die Möglichkeiten liegen nicht einfach nur so auf der Straße herum. Besonders Chancen für uns das Licht des Tages zu sehen sind rar." Er verengte leicht seine Augen, Augen gezeichnet von Alkohol. "Das Starkbier das ich hier reingebracht habe, ich wollte es eigentlich strecken um dafür zu sorgen das es länger hält aber ich wurde müde von dem schlechten Schwips den ich davon bekam."

Er sprach leise über die Dinge die er in seinem Inneren verborgen hatte.

"Wenn ich immer wieder die gleichen alten Träume sehe, dann will ich eine verdammt gute Show sehen. Nur hier herumzusitzen mit dem Daumen im Mund und einem wehmütigen Blick ist Zeitverschwendung. Wir beide kennen dutzende solcher Kerle. Nicht wahr?"

Er wusste was er fragte.

"Guy ich hasse es hier. Wenn ich für immer hierbleiben soll, dann werde ich innerlich verrotten. Es reicht um mich verrückt zu machen."

Er kannte das Gewicht der Realität.

Er kannte alles in und auswendig.

"Ich werde hier herauskommen und es selbst sehen", sagte er laut als wollte er die Stärke seinen unbeugsamen Willens demonstrieren.

Guy wusste nicht was Riki auf dieses Extrem gebracht hatte. Riki hatte etwas über seinen Platz in dieser Welt herausgefunden aber Guy fragte ihn nie danach aus, vermutlich weil er Angst davor hatte das wenn er es täte ihre Beziehung zueinander darunter leiden könnte. Also nickte er einfach nur lakonisch. "Ja sicher-"

Seine Lippen verzogen sich etwas als die scharfen Spitzen eines unsichtbaren Dorns sich in seinen Hals bohrten.

Midas. Area 9. Ceres. Diese Hintergossen hatten vielleicht einmal eine Vergangenheit, aber sie haben keine Zukunft.

Nichts geografisches trennt Ceres und Midas. Auch wenn Ceres und Midas die gleiche Erde und den gleichen Himmel teilten, so war es doch der Fall das die "Mongrels" aus Ceres nicht die gleichen Ausweise benutzen wie die Bürger von Midas. Und es war diese Tatsache allein die die Ceres Slums von Midas Galaxien voneinander trennte.

Es war nicht ein lockeres Zusammentreffen von Kriminellen und Aussteigern die dieses charakteristische Misstrauen in den Slums geweckt hatte. Das Loch bekannt als Area 9 existierte auf keinem Stadtplan von Midas, und das war so seit man denken konnte.

Was sich ungelistet fortpflanzte war aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn. Ceres bestand fort als eine ständige Erinnerung an die Bewohner von Midas weiter, sich in deren Augenwinkeln bewegend, sie daran erinnernd was sie taten wie die Bedrohung durch ein Brandeisen.

Aber dennoch was das Leben der Bewohner der Vergnügungsviertel alles andere als übereinstimmend. Eingeteilt in das Klassensystem bekannt als „Zein“ stand es ihnen nicht frei sich ihre Beschäftigungen selbst auszusuchen. Sie waren auch nicht frei darin einfach zu lieben wen sie wollten.

Dennoch wussten sie das statt Ärger zu verursachen oder sich gegen das System zustellen und ihre guten Karten zu verlieren es besser war den Regeln zu folgen und zu schweigen. Direkt vor ihnen lag der Abfall von Ceres, schleichend in den Slums, zu tief am Boden um nach oben zu greifen und ihre Rettungsleinen zu greifen, geschweige denn um sich selbst herauszuziehen. 

Die Existenz der tieferen Tiefen die sich dauerhaft in ihren Sichtfeldern zeigten waren eine ständige Bestätigung ihrer Gefühle von Erhabenheit und Abscheu.

Für die Bewohner von Midas war nicht die Einschränkung ihrer Redefreiheit oder Bewegungsfreiheit, noch der andauernde Unwille gegenüber der andauernden Missachtung ihrer Menschenrecht deren schlimmste Erniedrigung. Es war der Gedanke daran fallengelassen zu werden und in Ceres zu landen.

In Ceres zu leben war kein menschliches Leben mehr.

Diese Tatsache war eingebrannt in ihre Gehirne und in jede einzelne Zelle ihres Körpers. Es war die Warnung von Midas selbst die sie daran hinderte den selben Fehler ein zweites Mal zu begehen.

Eine Revolte war in Midas ausgebrochen was dazu führt das die eingeführte Ordnung sich umkehrte. Die Ketten der Kontrolle und Unterwürfigkeit die der digitale Herrscher ihnen auferlegt hatte wurden durchtrennt. Die Revolutionäre versuchten über eine neue Ordnung und Streben nach Freiheit und Menschenwürde wieder ein Ziel der Unabhängigkeit in die Area 9 zu bringen.

"Dies ist keine Revolution sondern eine Reformation", erklärten sie. "Die Zeit als Männer den Maschinen dienten ist vorbei."

Aber wann, von wo und wie wollten sie die Bereitstellung von Kapital und Materialien für dieses Wagnis stellen zusammen mit den notwendigen Daten und Informationen um Midas, nein Tanagura unmittelbar anzufechten? In Are 9 hatten sie nur Zugang zu den menschlichen und materiellen Ressourcen die das Volk gewöhnt war als belagerte Existenz.

Die Revolutionäre glaubten das niemand gezwungen werden würde. Es gabe keine Unterschiede zwischen hoch und tief. Die Erwartungen waren das alle als gleiche Individuen behandelt werden würden. Ceres würde sich zu einer Art Utopie entwickeln.

"Werft eure Fesseln ab! Verlangt die wahre Freiheit!" war der Schlachtruf der sich erhob. Die Wiedergeburt der Menschenrechte versprechend und keinen Zentimeter von ihrer Überzeugung weichend, war die Kraft und Leidenschaft erstaunlich.

Wie eine Feuersbrunst, erreichten die Funken aus der Area 9 auch die anderen Bereiche. Die lang verdrängten, schwelenden Gefühle brachen in Flammen aus. Die Missgunst und Verstimmung die sich bis zu diesem Zeitpunkt aufgestaut hatten wurden in weitreichenden Sabotageakten geäußert. Jeder Winkel kochte mit offener Kritik am System.

Von Anfang an spielten Midas Regierungsbeamte die Schwere der Krisen herunter. "Sie werden nicht länger als zehn Tage andauern." Aber sie fielen schließlich den Auswirkungen zum Opfer als der Kundenverkehr abriss, und waren gezwungen sich mit dem Ernst der Lage auseinanderzusetzen.

Vielleicht waren sie sich den flackernden Schatten der Commonwealth-Verbündeten bewusst die hinter den Rädelsführern lauerten die gewagt hatten die Zähne zu fletschen gegen das "System". Auch wenn ihr Herz in einem Sturm der Entrüstung aufgewühlt war, zumindest an der Oberfläche versuchten sie nicht das Problem zu erzwingen.

Das Endergebnis war das anstelle der Bekämpfung der Brachialgewalt und Ausmerzung des Area 9, gab Midas einfach bekannt das sie ihre Wohn-Datensätze löschen würden. An jenem Tag hallten die Rufe der Freude durch Ceres. SIEG! Sie hatten es geschafft.

Es war fast schon eine Enttäuschung das die Ankündigung von Midas so großmütig war, und manche tauschen schon skeptische Blicke aus. Aber solche Zweifel waren in den Schreien des Sieges, dem Rücken-Klopfen und dem betrunkenen Überschwang schnell vergessen. Ohne ein einziges Opfer - ohne den Verlust eines einzelnen Lebens - hatten sie ihre Rechte, ihre Freiheit und ihre Unabhängigkeit gewonnen. Das war etwas auf das sie stolz sein konnten.

Dennoch waren sie am Ende mit ihren Fragen allein.

Was haben wir wirklich gewonnen? Und: Warum hatte Midas so schnell die Unabhängigkeit von Ceres erkannt?

Die Freude über den Sieg lies recht bald nach und die Revolutionäre zählten die Tage und Monate und begannen darüber nachzudenken. Sie waren der Rolle von Midas entkommen aber standen nun Angesicht zu Angesicht mit den Forderungen ihrer eigenen Existenz konfrontiert. Die Härte der Wirklichkeit die sie bisher noch nicht einmal in ihrer Fantasie ausgemalt hatten begann allmählich zu sinken.

Niemand der hier herkommt wird abgelehnt werden. Das war deren Grundsatz der Hoffnung.

Gemeinsam mit ihren unterdrückten und geknechteten Landsleuten, zusammen mit ihren Gleichgesinnten, würden sie sich ihre Zukunft bauen. Ja sie waren so naiv. Die Schleichwerbung der Commonwealth Hilfe war seit ihrer Unabhängigkeit notwendig und vielleicht hatten sie noch nicht komplett verstanden, was es bedeutete ganz ohne diese zu sein.

Natürlich waren sie dankbar für die freiwillige Hilfe ihrer Commonwealth-Unterstützer bei der Erhöhung ihrer Menschenrechte. Aber es kam ihnen nie in den Sinn das ihr Vorhaben den Würgegriff von Tanagura, der "metallischen Stadt" verfärbt durch das verderbliche Gift Midas, zu brechen durch die Aktionen des Commonwealth und dessen rührende Worte unterlaufen wurde.

Als Ergebnis waren sie, bevor sie überhaupt dieses "ideale System" entwickeln konnten, überrannt von denen die beflügelt waren von der Idee eines "freien" Ceres. Die überwiegende Mehrheit von ihnen kamen ohne feste Überzeugung zur Sicherung ihres Glaubens. Nur die Hoffnung, das mit ihrem Ankommen in Ceres sich "etwas" ändern würde, das "etwas" passieren würde.

Wenn jemand führen wollte, dann mussten sie verstehen, wie jung sie waren. Ignoranten. Weglaufend mit einem Bild der Perfektion in ihren Köpfen waren sie blind für die kalte, harte Realität zu ihren Füßen. Ihr fataler Fehler war das Fehlen eines Führers, der Entscheidungen fest machen konnte, ohne Bedenken, ohne sich in seine Gefühle zu verlieren.

Die erste Realität die auf Ceres freigelassen wurde war das Chaos. Danach folgte: "Das ist es nicht was du versprochen hattest."

Und: "Was hab ich davon?"

Und: "Ich werde so einen beschissenen Job nicht tun!"

Und so setzte sich die individuelle Unzufriedenheit und Murren fort. Schließlich wurde die Ungeduld das sich Dinge nicht wie vorgestellt entwickelten ersetzt mit der Reizung darüber das sie sich nicht so entwickelten.

"Befreite Freiheit" bedeutet nicht das eine Person alles tun konnte was sie wollte ohne einen Einfluss von außen. Um die Zügel der Freiheit aufzunehmen, war es notwendig die Rechtsstaatlichkeit zu respektieren und zu kooperieren. Andernfalls könnte ein Mensch "Freiheit" rufen bis er blau anlaufen würde und seine Ideale wären dennoch nichts weiter als Visionen.

Die Unabhängigkeit von einer unberechenbaren Herrschaft des Pöbels war eine Unabhängigkeit ohne Bedeutung. Um der hart-gewonnenen Freiheit Wurzeln zu geben waren Zeit und Geduld nötig. Sie waren ein einfacher Haufen und sollten nun durch ihre Erfahrungen lernen was das wichtigste war. Wenn sie das getan hätten dann wären die Chancen vielleicht besser gewesen.

Aber während die sogenannten "professionellen" Aktivisten des Commonwealth den Grund des Friedens unterstützten, legten sich die Stürme und Fieber in Ceres rasch, und sie blieben weiterhin Gäste und Fremde untereinander. Sie hatten Unabhängigkeit von Midas bekommen, aber ihren ursprünglichen Plan auszuführen traf auf eine Reihe Sperren, Ceres in einem Zustand der tiefen Verzweiflung lassend.

Doch egal wie schlecht die Dinge auch stehen mochten so waren ihre Gedanken doch zweifellos damit beruhigt das sie wenigstens einen Platz hatten nach Hause zu gehen.

Midas begann zu kratzen an solcher Erhabenheit und die Leute von Ceres lernten die wahren Preise der Freiheit kennen. Midas hatte keine Einwände gegen diejenigen die nach Ceres umsiedeln wollten und doch verweigerte Midas ihnen die Rückkehr mit der Begründung, dass ihre Aufenthaltsgenehmigungen und Aufzeichnungen zerstört worden waren und nichtmehr existierten.

Die Tür hatte sich noch nicht komplett für sie geschlossen obwohl immer die Gefahr bestand das System ein zweites Mal nach unten zu reißen. Für die die es sich wünschten war es klar das Midas eine Art Gehirnwäsche-Technik anwandten um eine "Gedächtnis Anpassung" und dergleichen anzuwenden.

Der wichtigste Punkt war im Angesicht des Commonwealth das Gesicht zu wahren als Satelliten-Stadt von Tanagura. Midas verschonte nicht die Armen oder die Kinder. Area 9 war umringt von Sensoren und isoliert, so das nicht einmal eine Ratte unentdeckt die Grenzen nach Ceres überqueren konnte.

Die Maßnahmen dienten als zusätzliche Warnhinweise für die Bürger von Midas.

Die Träume der Revolution gebrochen, sackten die Schultern der Revolutionäre und ihre Herzen wurden schwer. Es gab keinen Weg vorbei, darüber oder durch diese Wand der massiven Ablehnung. Sie magerten ab in Ceres, ließen sich schleifen, schwankend unter dem Gewicht der Reue und Verzweiflung.

Direkt unter ihrer Nase war Midas, in seinen knalligen Neon-Roben Tag und Nacht gekleidet. Die Hure in ihren Herzen reizte sie immer wieder und lud sie doch nicht zu sich ein.

Schließlich erodierte die Zeit der Lethargie die Reste der kollektiven Seele wie eine unheilbaren Krankheit die sich ihren Weg durch das Mark von Ceres fraß. Auch wenn die Zeiten sich änderten und die Sensor-Zäune entfernt wurden, zeigte sich dennoch kein Zeichen des Stillstandes. Im Laufe der Jahre hatte sich die Krankheit in den Slums eingegraben.

Riki war sich voll und ganz der Vergangenheit bewusst, aber seine Augen blickten fest in die Zukunft. Als er Guy verließ machte er ein Versprechen. "Nur ein Verlierer bleibt stehen und sieht zurück."

Aber dann eines Nachts, genau drei Jahre an dem Tag nachdem Riki die Slums verlassen hatte (oder besser gesagt, aus Guys Gegenwart verschwunden war), kehrte er plötzlich zurück. Guy war total überrumpelt und konnte ihn nur anstarren, die Augen weit geöffnet, stotternd und unfähig zwei Worte zusammen zu setzen.

"Nun es geht dir scheinbar gut."

Riki ließ sein vertrautes Grinsen aufblitzen. Er war ein paar Zentimeter gewachsen, erwachsen genug geworden um wie ein anderer Mensch zu wirken. Seine einst rohe Art schien merkwürdig gedämpft und seine Glieder wirkten durchtrainiert. Aber die Augen die auf Guys trafen wirkten nüchtern und fast schon kalt.

"Riki... bist das wirklich du?" fragte Guy, obwohl er sich sicher war. Er musste es dennoch genau wissen.

Seine ehemaligen Kameraden wurde ebenfalls auf einer guten und schlechten Art von Rikis Rückkehr in die Slums erregt. Auf die ein oder andere Weise wollte jeder einen Blick auf diese Leere in den drei fehlenden Jahren werfen. Unnötig zu erwähnen das jedermanns Augen in den Slums sich wie Laserstrahlen auf ihn richteten.

Die Gerüchte verbreiteten sich dass das "Charisma" als geprügelter Hund wieder in die Slums zurückgekehrt wäre.

"Geschieht ihm recht!"

"Das er nicht in Ehre zurückkehrt war klar."

"Was fpr eine Schande, so in Schande leben zu müssen." Sie alle zeigten mit den Fingern auf ihn und verlachten ihn. Damals, als der Name "Bison" die Welt im Sturm erobert hatte war Riki die seltene, unerreichbare Blume gewesen der sein Herz nur einem einzigen Partner anvertraut hatte. Und selbst nach einem Fall aus dieser Gnade so war diese Blume noch immer eine Lotus im Sumpf der Slums.

Die Blume war unerwartet auf den Boden zu ihren Füßen gefallen. Statt es selbst aufzuheben und zu lieben, traten sie sie lieber noch tiefer in den Schlamm. Zahllose Menschen waren zu Sklaven dieser Art des perversen Vergnügens geworden.

Und doch hielt Riki den Mund und beantwortete nichts obwohl er mit so viel Spott überschüttet wurde. Egal wie sehr er provoziert wurde. Wie Wasser das immer wieder zurückwich.

Die Mitglieder von Bison waren inzwischen immun gegen diese frustrierenden Gefühle der Ruhe, dieses Drehen der Wangen zu allen Angriffen ohne sich zu wehren. Der Mann der in die Slums zurückschlich mit seinen gebrochenen Träumen hatte immerhin die von ihnen allen geteilten, schwelenden Gefühle für eine Weile woanders hin getragen.

Das waren die ungenießbaren Früchte der Hoffnungslosigkeit, die schmerzhaften Krämpfe der Selbstverachtung und oben auf, die Ansammlung dunkler Wolken des Wahnsinns in den unteren Tiefen der Verzweiflung. Gängige Praxis war sich in Drogen und Alkohol zu ertränken, sich in einer Hülle abzuschotten und in Visionen der Vergangenheit zu fliehen, in einer Art von Wachtraum.

Aber Riki hatte sich geändert. Verschwunden war die weiß-glühende Intensität die einmal alles versengt hatte was sie berührte. Weit davon entfernt. Nun schienen seine Augen auf sie hinab zu blicken. Und es war die Art wie er sein Glas leerte die den Anschein machte als wäre er ständig in seinen Gedanken verloren. Es war etwas an dieser entspannten Ruhe.

Es gab für Guy keine Möglichkeit das Herz des wortkargen Riki zu erkennen. Doch die alltägliche Behauptung das "Alles in bester Ordnung" war, schnitten sich mit den vielen tiefen und radikalen Veränderungen die Riki durchgemacht zu haben schien und dennoch konnte er nur zustimmend mit dem Kopf nicken wie aus Reflex.