In dieser Nacht verkroch Riki sich in einer Bar in den Randbezirken um sich ernsthaft zu betrinken. Das war normalerweise nicht die Art Absteige die er sonst besuchte, aber er war ja auch nur aus dem Grund sich zu betrinken. Hier kannte niemand seinen Namen. Es war als würde er in den tiefen eines dunklen Ozeanes sitzen genau auf dem Sprudeln einer lauwarmen Quelle.

Er saß in dieser Bar, ganz hinten. In dieser unterirdischen Taverne in der die einzige Beleuchtung von den blauen Leuchten kam, die sich in dem Glas in seiner Hand brachen. Das schwache Licht schien eine Linie zwischen ihm und den kehligen, verführerischen Stimmen und dem Johlen der Menschen an den Billiardtischen zu ziehen.

Er leerte jedes Glas in schneller Folge und doch fühlte er sich nicht das kleinste bisschen berauscht. Die Erinnerung an die Begegnung in Mistral Park steckte noch immer in seinen Erinnerungen: der giftige Blick in den Massen von Menschen, die markanten und auffälligen Gesichtszüge, die lebhaft empfundene Präsenz.

Und dieses kalte Lächeln das durch ihn hindurch ging.

Das Standbild des dieses letzten Momentes war genug um sein Blut zum Kochen zu bringen, um jeden Nerv wie durch einen elektrischen Impuls zum zucken zu bringen. Soweit Zufälle auch gingen, diese Wiedervereinigung war zu real gewesen, zu abgekartet. Die Übelkeit schwoll an und sein Herzschlag raste beim bloßen Gedanken daran.

Noch immer - noch immer- er hatte nichts vergessen. Nicht die perfekten Proportionen dieses Adonis, und auch nicht die grausamen blauen Augen die hinter den getönten Gläsern verborgen waren. Wie ein Talisman in seine Netzhaut gebrannt konnten nur die Spuren dieses Abbildes seine Sicht so Reizen das er zurück in diese Realität der vergangenen drei Jahre, gefüllt mit Wut und Scham, geworfen wurde.

Seine widerhallende kalte Stimme - eine Stimme voller unerschütterlichem Vertrauen- war untrennbar in seinen Ohren gefangen.

Iason Mink. Der Name auf seiner Zunge schmeckte wie eine bittere, harte Pille die man zwischen den Zähnen zermalmt hatte.

Die Quelle all dieser Bitterkeit bewohnte noch immer seine Gedanken. Von diesem Tag an, egal wie tief er auch in der Kanalisation der Slums versinken mochte, würden diese Wunden niemals mehr heilen.

Der kribbelnde Blutrausch zeigte sich in seinen Augenbrauen, in dem bösen Schielen in den Augenwinkeln, so dass sein anderes Wesen sehr klar war. Was bisher unter dem Radar seines Bewusstseins geflogen war kletterte nun hinauf ins Licht. Das wahre Herz des Fremden, der sich nachdem er in ein dichtes, stagnierendes, fiebriges Delirium gefallen war nun wieder seinen Weg zum Leben bahnte.

"Hey, wer ist der Kerl"?

"Du hast mich. Neues Gesicht wie es scheint."

Das Raunen ging auf unspektakuläre sachliche Weise durch den Raum.

"Der Kerl sieht wirklich mies aus." "Yeah lasst ihm uns eine neue Visage zaubern."

"Hey hey, bevor wir das tun, sollten wir nicht wenigstens zuerst Jigg Bescheid sagen?"

Die Regungen des Interesses in der Bar waren mehr aus Neugier, und plötzlich unterbrach ein schlacksiger Bursche mit gelbbraunen Bürstenschritt der beiläufig auf Riki zuging die Szene.

"Scheiße, das ist Jango."

"Ja, du hast Recht. Es ist Jango." "Jango sagst du?"

"Schau doch selbst. Jango, Gottes eigener Sensenmann."

"Tatsächlich?"

Dies war der Dingo der Gerüchten zufolge den momentanen Streit zwischen Maddox und Jeeks heraufbeschworen hatte, und sein Erscheinen in der Bar warf ein ganz anderes Licht auf alles. Wie ein einfacher Informant nur den Beinamen "Sensenmann" bekommen konnte war etwas das keiner sich erklären konnte. Nur die wirbelnden Gerüchte und Anspielungen kannte jeder.

"Der Mann ist besessen."

"Ein Kerl der versucht hat ihm Hörner aufzusetzen hat ein böses Ende genommen. Sie wollen es nicht wissen."

"Schaut ihm in die Augen und euer Blut gefriert."

"Es wird gesagt das Banden die mit ihm in Streit gerieten in mehr Ärger kamen als gut für sie war und sie schlussendlich auflösten."

Gerüchte führten zu Gerüchten, multipliziert genauso wie die Zahl der Münder sich multiplizierten, die Angst und Abscheu weckend die sich in einem gewissen Abstand hielten.

Undurchlässig wie eh und je auf die lauten Reaktionen um ihn herum, hob Riki das leere Glas in Richtung des Barkeepers, der ihm ohne Beanstandung oder entsprechender Aufforderung nachschenkte. Riki beäugte ihn misstrauisch.

"Dein Freund hat dir einen ausgegeben", erwiderte der Barmann mit einem einschmeichelnden Lächeln.

Zum ersten Mal drehte Riki sich nun doch zu dem Mann um der den Sitz neben ihm belegt hatte und schnalzte leise mit der Zunge. Sich selbst in einer der verfallensten Bars unter den Tisch drinken zu wollen hätte vermutlich jeder zufällige Beobachter ihm schon von weitem angesehen. Aber es ärgerte Riki das nun anscheinend jeder Kerl dachte er hätte eine Chance bei ihm.

Der Kurzhaarschnitt des Mannes war deutlich und stellte so sein Profil in den Vordergrund, gab ihm eine etwas fremde Ausstrahlung. Doch egal aus welcher Perspektive, er war nicht Rikis Typ. Eher weit davon entfernt. Er starrte den Mann mit hochgezogenen Augenbrauen an und knurrte. "Wenn sie es darauf anlegen mich abzuschleppen, vergessen sie es."

"Denkst du wirklich ich bin dumm genug zu versuchen dich nach nur ein paar Drinks ins Bett zu kriegen?" Er lachte in einer seltsam bedeutungsvollen Art. "Also, warst du schon immer so ein harter Kerl?"

Der fressende Zynismus in seinem Lächeln erweckte in Riki ein kurzzeitiges Déjà-vu-Gefühl. Dieser Kerl - irgendwoher-

Der ubekannte Mann erwiderte seinen direkten Blick und kicherte. "Das dritte Mal schon und du redest immer noch so mit mir?"

Das dritte Mal. Noch mehr Déjà-vu erschienen in Rikis Gedanken.

"Entschuldige das ich dich damals nicht hart genug getroffen habe um einen bleibenderen Eindruck zu hinterlassen."

Riki blinzelte in an. "Robby - nicht wahr?"

Der Mann - Robby - leerte den Inhalte seines Glases mit einem Zug. "Nun, zumindest ist es dir doch noch eingefallen. Ich bin überglücklich. Besser als wenn du nen Multiple-Choice-Test hättest machen müssen. Mann du hast dich verändert, nicht wahr?"

Riki warf einen guten und langen Blick auf Robby - so lange, das er bewusst die Zeit vergehen sah. "Also was hast du gegessen das du so verdammt groß geworden bist?"

Der Sarkasmus war völlig nebensächlich. In den fast acht Jahren in denen er Riki nicht gesehen hatte waren nicht mehr als Fragmente der Erinnerungen in seinem Kopf zurückgeblieben. Was er allerding wusste war die Zwietracht und Feindseeligkeit zwischen ihnen aus dem Guardian Waisenhaus.

"Es ist komisch findest du nicht? Solange du Guy hattest brauchtest du niemand anderen?" Ein unvorsichtiges Lächeln glitt über seine Lippen. "Ich habe das Wichtigste in meinem Leben verloren. Das du allein glücklich bist ist es was ich ~ vergeben kann. Also verlierst du auch etwas!"

Ein spitzer Schrei. Und dann...

"Bist du damit einverstanden? Bist du damit wirklich einverstanden?" Im allerletzten Moment zeigte sich doch ein kurzer Blick auf seine wahre Natur. Es schien eine Sünde zu sein das von allen Erinnerungen an Guardian nur die mit Robby wirklich hängen geblieben zu sein schienen. In der Tat, wie das hoffnungsvolle Warten auf die gute Fee am Boden der Büchse der Pandora, war alles was er tun konnte sich auf die Lippen beißen und es ausstehen.

"Sieht aus als würde es dir gut gehen."

"Danke. Aber du hast dich scheinbar auch nicht verändert-"

Ein schiefes Lächeln des Selbstspotts verdrehte Rikis Lippen. "Was soll das denn heißen?" fragte er bitter.

Wie sehr hatte er sich in den letzten Jahren verändert? Genug um seine Seele zu verbrennen. "Bedeutet du hast dich nicht verändert." erwiderte Robby einfach bevor er schnell hinzufügte: "Ob Guardian oder die Slums, ob Mr. Charisma oder der Underdog, du warst schon immer ein Fremder."

Ein Herzschlag.

Es fühlte sich an als hätte jemand in eine alte, pochende Wunde getreten. Riki verengte seine Augen zu Schlitzen. Ohne Anzeichen von Angst drängte Robby noch weiterhin auf den Punkt, deutlich beabsichtigend Riki auf diese Weise zu reizen. "Ich verstehe jetzt was Schell meinte damals als er sagte du wärst der seltsamste und hübscheste von allen. Du bist eine Laune der Natur, Junge."

"Und was genau willst du mir damit nun sagen?" Rikis Stimme verschärfte sich zu einem ruhigen, harten Flüstern. Auch die stagnierende, gesättigte Alkohol-Fahne und der Zigarettendunst schienen sich zurückzuziehen vor ihm.

"Vielleicht will ich damit sagen das du nie herausgefunden hast was dich denn so verdammt gruselig macht. Und deshalb hast du das Leben aus jedem anderen ausgesaugt."

Eine Sekunde später hatte Riki den Inhalt seines Glases in Robbys Gesicht gekippt. Fasziniert von der Szene entstand ein hörbares Keuchen aus den Mündern der Zuschauer. Das war Gottes Sensenmann und dieser verrückte Hurensohn wagte es doch ernsthaft diesen herauszufordern. Er musste komplett irre sein.

Riki warf das Geld für seine Drinks auf den Tresen und stand auf. Sich verhaltend als wäre nichts geschehen und ohne den kleinsten Hauch von Aufregung in der Stimme spuckte Robby den Alkohol aus und sah zu ihm auf.

"Sobald du Guardian verlassen hattest verfiel Schell wieder in seinen infantilen Zustand. Danach überlebte er nichteinmal mehr ein halbes Jahr. Es war so als würde das von dir getrennt sein etwas in ihm schrumpfen lassen und die Lichter löschen. So endete es mit ihm."

Wenn Riki schon nicht in Robbys Nähe bleiben wollte um noch mehr von dessen Erinnerungen zu lauschen, dann schon sicher nicht um gegenseitig alte Wunden zu lecken. Aber Robby hielt sich das Beste zum Schluss auf und zielte damit genau auf das Herz.

"Außerdem gibt es da ja noch Junkers. Er verschwand aus Guardian einfach so genau wie Haruka."

Rikis Füße waren wie auf dem Boden festgeklebt. "Junker-?"

Vor seinem geistigen Auge blitzen das Gesicht des jungen Junkers auf, jetzt allerdings kaum mehr als ein Schatten...

"Aber ich schätze das ist kein Thema das dich interessiert-"

Das waren die Worte die das Messer noch etwas tiefer in die Brust stießen. Sein Herz schmerzte auf eine Weise das er es schwer fand zu erklären. Als ob er Guardian und den Rest davon einfach hinter sich lassen würde schenke Riki Robby nichts anderes als einen Blick über die Schulter.

Robby sah Riki nach als dieser ging, bewegte sich allerdings keinen Zentimeter. Seine Schroffheit die er bisher gezeigt hatte war, entgegen dem Anschein, mit einer Melancholie durchdrungen. Auch nachdem Riki aus seinem Blickfeld verschwunden war war die Verbindung zwischen ihnen noch eine Weile spürbar.

"Mann warum siehst du denn so traurig aus? Nicht die Art von Gesicht die Gottes Sensenmann in der Öffentlichkeit sehen will."

Die plötzliche Stimme brachte Robby wieder zur Besinnung. Er hörte nicht wirklich einen Zynismus aus der Stimme heraus. Wie ein flackerndes Licht in den Tiefen des Ozeans erkannte er in dem beiläufigen Blick einen rothaarigen Jungen und die Anspannung glitt von seinen Schultern.

"Nicht nur das du zu spät zu unserer Verabredung kommst", schmollte der Junge. "ich finde dich auch noch Hals über Kopf von einem Niemand vereinnahmt." Er setzte sich auf den Barstuhl der noch von Rikis Körperwärme erwärmt war. "und am Ende wirft er dir sein Bier ins Gesicht und geht. ist es nicht das was sie Abblitzen nennen?"

Den Alkohol aus dem Gesicht wischend gab sich Robby nicht die Mühe ihn zu fragen ob es sich um eine wirkliche oder eine rhetorische Frage handelte.

"Nun? Wer war er?" Der Junge trat in einem plötzlichen Wutanfall gegen die Sprosse in Robbys Barhocker. "Denk nichtmal dran mich fallen zu lassen. Wenn du eine gute Ausrede hast dann lass hören. Oder wenn du willst dann geh ich dem Bastard nach und hör sie von ihm."

"Halt die Klappe. Erwisch den Bastard auf der Falschen Seite und du bist am Ende noch schlimmer dran."

"Huh. Du machst also mit mir Schluss?" "Nein ich meine damit das er wirklich gefährlich ist."

"Wie wirklich gefährlich?" fragte er nach und lehnte sich nach vorn.

Robby seufzte laut. Warum zum Teufel war er so eingenommen von diesem kleinen nervigen Jungen der nicht mal in etwa aussah wie Schell? Aber immer, wenn er es auch nur versuchte zu erklären würde dieses Kind ihn wieder fangen.

Was zum Teufel redest du da? Denkst du ich wäre der einzige gewesen der neugierig wäre den berühmten Sensenmann kennenzulernen?

"Er war ein Blockkumpane als wir noch in Guardian waren. Hab ihn eine Weile nicht gesehen", sagte Robby in desinteressierter Tonlage und wählte seine Worte sehr sorgfältig.

Nach acht Jahren war Riki die letzte Person gewesen die er erwartet hatte zu treffen. Der Moment in dem er einen Blick auf Riki geworfen hatte hatte sein Blut in den Adern gekocht und sein ganzer Körper hatte angefangen zu zittern. Sein Herz und seine Seele waren pochend aus einer schrecklichen Nostalgie entkommen. Das Gefühl Riki in dieser Sackgasse, die Bar am Rande der Stadt zu treffen hatte genug Anomalie erzeugt um seine Kehle brennen zu lassen.

Getrieben von diesem seltsamen Gefühl des Hungers und Durstes hatte Robby keine andere Wahl gehabt als als sich Riki zu nähern. Doch als sie sprach, ergriff ihn das Fieber immer stärker, schüttelte seinen Körper noch stärker und zog seine Eingeweide zusammen.

"Ja aber was ist deine Entschuldigung."

In der Tat war dieses Ereignis das Endprodukt gewesen für den Antagonismus den Riki bei Guardian aufgewirbelt hatte, und er war der einzige Augenzeuge der Wahrheit. Nein, zu der Zeit, war die "Wahrheit" etwas gewesen das den Raum zwischen Realität und Fantasie bewohnt hatte - was genau hatte er gesehen? Robby war sich da noch immer nicht sicher.

Nur das was auch immer für eine Aura Riki umhüllte all seine fünf Sinne benebelte. Die Angst und die krassen Wunder die aus jeder seiner Poren sickerte wie kalter Schweiß hatte sich in die tiefsten Teile seines Gedächtnisses eingebrannt.

Schell, die Grundlage seines Herzens war verstorben.

Und selbst Junker, der Anstifter des Zwischenfalls, musste irgendwann aus Guardian verschwinden. Trotzdem hatte das Gefühl der Missstimmung in der Magengrube Robby die letzten acht Jahre verfolgt, ihn immer wieder wie in einem Albtraum anschreiend.

"Vielleicht war er der erste bei dem du aufgegeben hast?" "Ich bin weder leichtsinnig noch dumm."

"Was du nicht sagst! Du willst mir also sagen das wir einen neuen Spieler hier haben der das Badass Jango fertig machen kann?"

"Einen Spieler, hm." Diese Bezeichnung war nicht einmal weit hergeholt und Robby reagierte mit einem zynischen halben Lächeln. Wenn er schon der Sensenmann war und die Hölle nach ihm folgte, dann musste Riki das seltene, vampirische Biest sein das Männer verführte und ihnen die Seelen aussaugte. "Ja, vielleicht ist es so. Schließlich wurde er als Vajra bekannt."

"Varja`"

Robby packte den Jüngeren sanft an den Wurzeln dessen roter Harre und flüsterte in dessen Ohr. "Dieser Kerl war das Vajra der Slums. Riki von Bison."

Er beobachtete wie die Augen des Kids sich vor sShrecken weiteten und Robby unterdrückte das Lachen tief in seiner Brust.

An diesem Tag überzog ein seltsamer, kalter Regen den Himmel seit dem Morgengrauen. Als Ergebnis ruhten die verrotteten, mit Müll übersäten Straßen, die verfallenen Mauern der Kolonie und überall schien Frieden zu herrschen und ein Seufzer der Erleichterung zu erklingen.

Doch die verrosteten und korrodierten Stunden die sich im Schatten der grellen Nacht von Midas herumschlugen wurden bedeckt durch die dunklen Schleier der tiefliegenden Wolken. Tief stöhnend während er mit bleiernen Füßen den Weg nach Hause einschlug, das erste Mal das Riki alleine das sichere Haus aufsuchte.

Kirie war nicht vor seinen Augen, verfolgte nicht jeden seiner Schritte. Das der kleine Schandfleck nirgends zu sehen war nahm doch etwas Spannung aus seinen Schultern, aber es war noch immer genug vorhanden um ihm ein seltsames Gefühl des Unwohlseins zu bescheren. Er konnte nicht anders als von der Tatsache gefangen zu sein, das die Abwesenheit von Kirie soviel Energie aus diesem Ort ziehen würde.

"Yo," sagte er Riki entdeckte. er stand vom Sofa auf, wich einem der Gläser aus als würde es ihn dazu drängen zu trinken. "Was für ein Widerstand. Wo zu Hölle warst du den? Wir dachten schon du hättest dir jemand anderen aufgerissen mit dem du gerade abstürzt."

Riki löschte seinen Durst mit einem gr0ßen Schluck und hob den Blick. Guy zuckte mit den Schultern.

"Ja er ist ein weinerliches Kind, aber wenn er nicht hier ist dann scheint es als gäbe es nichts zu reden."

Riki sah ihn einfach nur an.

"Er war nicht sehr gesellig in der letzten Zeit."

"Alles für den Besten, nicht wahr?" erwiderte Riki unverblühmt. "Ich bin sicher ein Kind wie er hat noch einige andere Kinder mit denen er rumhängen kann."

"Hey, du weißt das das nicht wahr ist." erwiderte Guy.

Der Ton seiner Stimme offenbarte eine gewisse Beunruhigung die er machtlos war zu lindern. Er sah sanft in Riki's Augen.

"Was?"

"Was meinst du, was?" Fragte Guy um den heißen Brei herum. Als er bemerkte, dass er Riki's Pokerface nicht durchbrechen würde, seufzte er. "Nun, was auch immer."

Er leerte das Glas mit einem Beigeschmack der Resignation.

Ganz egal wie Guy sich wirklich fühlte, Riki konnte es nicht weniger interessieren wo Kirie war, noch weniger mit wem oder was er tat.

Das hat nichts mit mir zu tun.

Indem er das Thema abbrach wollte Riki auch den Gedanken an Iason vergessen dessen Existenz sich fast schon in seine Innereien zu fressen schien. In dem Versuch den Gedanken an ihn in die hinteren Ecken seines Gehirns zu verbannen, wechselte er das Thema.

„Guy-„ „Ja?“

Das Eeis brach, und Riki fuhr in einer uninteressierten Tonlage fort. „ich bin Robby begegnet,,,,“

Guys Augen weiteten sich und Riki warf ihm einen skeptischen Blick zu, schwenkte sein Glas in der Hand während er erzählte das er Robbys Gesicht nach acht Jahren nicht erkannte hatte, Schells Tod und den Geheimnissen um Junkers verschwinden.

Während Riki sprach antworte Guy nur mit den obligatorischen „huh“ und „really?“ und anderen unbedeutenden Konversationsgeräuschen. Als Riki am Ende seiner Zusammenfassung ankam warnte Guy ihn in einem leisen Ton. „Riki, Robby ist schon immer für Schwierigkeiten gut gewesen. Das Beste wäre es ihm aus dem Weg zu gehen.“

So sehr er es auch verabscheute es zugeben zu müssen, wurde Riki immer klarer das sich mehr als nur das Aussehen der Slums in den letzten drei Jahren geändert hatten, und es würde nicht einfach werden die Lücken auszufüllen.

„Was für Art von Schwierigkeiten?“

„Er ist ein Dingo. Ein Informant, Ein wahres Arschloch den die Menschen den Sensenmann Gottes nennen.“

Nun deutete der Blick in Guys Gesicht ein gewisses Mass an persönlichem Missfallen an das nicht weniger war als die Intensität der Worte die er sprach. Als Riki ihn ansah, kehrte vor seinem inneren Auge das bösartige Lächeln zurück das er im geänderten Auftreten des anderen bemerkt hatte.

„Das ist hart, Mann.“

„Häng mit ihm ab und die Menschen werden sicherlich anfangen das falsche über dich zu denken.“

„Er gehört zu den Jeeks?“

„Das ist richtig“, beantwortete Guy die Frage in ungewohnt steifer Form. „Für jeden von uns der mit dem Geist von Bison beseelt ist, existieren die die die Flammen von der Seitenlinie aus schüren, und auf die Gelegenheiten warten uns zu vernichten.“

Riki—oder eher, Guy und die anderen hatten die vom Wind erzählten Gerüchte über Bosun gehört und begannen nun damit ihre Positionen auf die eine oder andere Art und Weise zu verteidigen.

Nicht zu erwähnen das die Jeeks Gang kein Geheimnis darum machte die Bison zerschlagen zu wollen. Zurückkehrend in sein altes Revier nach drei Jahren hatte Riki unwissentlich ein neues Zündfünkchen in ein eh schon rasendes Feuer mitgebracht.

Das schattenhafte Gerücht das Bisons Wiedererweckung vielleicht schon bald wieder stattfinden würde waren nicht mehr als komische Spekulationen aber siekonnten auch nicht einfach aus der Welt geschafft werden.

„Ja, das ist alles Scheiße, richtig?“ murrte Riki genervt.

Alles was Guy tun konnte war ihm ein schiefes Grinsen zuzuwerfen. Kurz danach wurden sie durch die Realität getroffen, als das alte, verfallende Gebäude das sie als Hauptquartier nutzten durch einen rasenden Infernoblitz in kleine Teile gesprengt wurde.

Innerhalb von Sekunden verbreiteten sich Gerüchte in den Slums.

„Hey es sieht aus als würde es endlich los gehen.“ „Ja scheint so.“

„Hast du es auch schon gehört?“

„Yeah. Hermas Grippe wurde auf die Grundmauern zerschlagen.“

“Der der zuerst zuschlägt siegt an dem Tag, huh?” Der Nachgeschmack des Schocks und der Faszination.

„Jeeks verwendet drastische Maßnahmen.“

„Diese kleinen Bastarde von ihm kennen keine Angst.“ „Das ist klar. Aber nur weil sie keine Ahnung haben was Bison zu ihrer Hochzeit waren.“

Und mehr noch als der inbrünstige blind begeisterte Beifall war das Handicap der Opposition.

„Auch Maddox hat nun Angst.“ „Du denkst Jeeks haben es auch auf ihn abgesehen?“

„Wenn es jemand sein wird dann Jeeks.“ Und ein Hauch von Angst stieg auf.

„Maddox und seine Kumpels stampfen sicher frustriert auf.“

„Das ist doch nur eine Finte, meinst du nicht? Es heißt das sie doch nur darauf warten das Bison und Jeeks sich gegenseitig abschlachten bevor sie selbst einkreifen.“

„ Und dann nehmen sie sich den Hauptanteil selbst?“ „Aber das heißt ja nicht das sie es schon in der Tasche hätten.“

„Yeah. Schließlich haben Bison aufgehört als sie an der Spitze waren.“ Währenddessen schien das allgemeine Interesse an jedem noch so kleinen Fetzen Information nicht abzuflauen.

„Es ist nur eine Frage der Zeit bis ein wirklicher Krieg ausbricht.“

„Denkst du das wirklich?“

„Verwette deinen Arsch drauf. So einen Schlag bei hellichtem Tag zu erleben und nichts dagegen zu unternehmen würde den Namen Bison doch wertlos machen.”

Entweichende Gefühle drohenden Unheils. „Du denkst Riki wird den nächsten Schritt wagen?“

„Nein. Was kann der Verlierer schon tun?“

“Richtig. Der alte Riki vielleicht, aber der neue Riki dem fehlt einfach ein Paar.”

Umstehende der wahren Aktion schimpften bitter untereinander.

„Diese kleinen Kerlchen die Jeeks als Soldaten für sich gewonnen hat sind nicht gerade die hellsten Glühbirnen im Festzelt. Wenn es um Riki geht dann wäre es das Beste den schlafenden Hund liegen zu lassen.“

„Ärger den Vajra der Slums in sein Gesicht und er wird nicht nur dastehen und es einfach so hinnehmen, oder?“

„Ist er so schlecht, dieser Riki?“

„Was denkst du? Wir reden hier von Riki von Bison. Also, absolut.”

Blödsinn daher reden mit nichts weiter als ihrem eigenen Ego das sie leitete.

„Ja, es wird Auge um Auge sein.“ Bis auf Fleisch und Knochen.“ Und so steigerte sich die Gerüchteküche nur noch weiter.

„Was willst du tun?“ fragte Sid. Er stand vor den Ruinen ihres alten Unterschlupfes und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, sein Gesicht noch finsterer als sonst.

„Was willst du tun?“ echote Norris mit einem wegwerfenden Seufzer. „Zerschlagen bei hellichtem Tage auf diese Art, was zur Hölle soll ich schon dagegen tun?“

Das war es nicht was Sid hatte wissen wollen, aber Norris wusste nicht wie er reagieren sollte auf die eigentliche Frage die sich ihnen stellte.

„Vielleicht wird das endlich genug sein um das Feuer unter einem gewissen Hintern anzufachen,“ murmelte Lukas und sprach die Gedanken aller andern aus. Er nahm einen Zug von seiner Zigarette und trat gegen den Schutt vor seinen Füßen.

Riki warf ihm einen Seitenblick zu, eine senkrechte Falte auf seiner Stirn. Er konnte sich nicht sicher sein, aber die Wahrheit schien ihm ziemlich offensichtlich. Den Jungs von Jeeks die Fresse zu polieren war vermutlich nicht die beste Idee gewesen. Ich hab mein wahres Gesicht nun lange genug gezeigt.

Er war nicht an allem schuld, aber er hatte sicherlich den Anstoß gegeben, den Funken der die Flamme entzündet hatte.

„In jedem Falle… können wir uns bei Laura’s breit machen,“ schlug Guy vor und niemand wiedersprach ihm.

Eine Belagerungsmentalität und ein nicht zu stillender Hunger. Zurück in dieser kurzen Zeit des Wahnsinns und der Wut als sie das Sagen in den Slums hatte, hatten die Mitglieder von Bison die sinnlose Dummheit des ständigen Zähnefletschens gelernt. Aber heute war kein Vergleich zu damals.

Dann könnten sie ihre heißblütigen Emotionen beschwichtigen und berechnen wann und wo sie die Spitzen angreifen sollten, den genauen Punkt der Spannung zum Bersten berechnen.

Dann wäre der Anblick des charismatischen Riki schon genug. Seine Worte würden sie berauschen in jedem Augenblick seines brennenden Eifers. Das ungeheure Gefühl der Ausgelassenheit die ihn umgab, war mehr als genug.

Aber Riki hatte nichts zu sagen. Die Macht seines Charismas war erloschen und dieser zahnlose Varja hatte keine Richtung in die er sie leiten konnte. Sie mussten schon lange zu dieser Erkenntnis gekommen sein, aber die Demütigung es direkt vor ihren Augen zu sehen lag weit weg von Logik und Gründen.

Die Slums waren ruhelos und in Aufruhr, als wären sie von den Wurzeln herauf vergiftet, bereit beim geringsten Anzeichen zu fliehen. Zittern, unsicher, auf die eigenen Füße starrend, und das Gesicht jedes Fremden genau beobachtend.

Und zwischen all dem machte ein weiteres Gerücht die Runde.

„Willst du mich verarschen? Ich hab gehört das Kirie sich zu einem Mitarbeiter eines dieser mechanischen Bastarde aufgeschwungen hat.“

„Ja ich hab gehört es wäre ein guter Weg etwas nebenbei zu verdienen. Sie sagen das es deren neuste Masche ist etwas mit einem Menschen anzufangen.“

„Sie kriegen nicht mal die Professionellen in Midas dazu sie auch nur anzusehen, also setzen sie ihre Hoffnungen in uns Mongrels?“

„Idiot. Androiden haben nicht plötzlich so ein starkes Verlangen nach Sex. Da muss irgendwo ein Haken sein.“

„Vermutlich. Hey kennst du Tom von Creutz? Er hat ein Angebot von Kirie angenommen – vermutlich halb aus Neugier da bin ich sicher – aber er wurde eindeutig abhängig davon. Nun streift er jeden Tag herum in der Hoffnung wieder aufgenommen zu werden.“

„Denkst du sie nehmen uns als Versuchskaninchen für ihre neue Droge? Sie sagen du schiebst es dir in den Arsch und kommst, wie, sofort. Und es würde keine Spuren hinterlassen.“

„Ja aber wenn du mir sagst das wäre mein Einfachticket ins Paradies dieser Welt, dann egal für welchen Betrag ich würde es gerne einmal ausprobieren.“

„Keine Chance, ich sag dir eine Gruppe von abgefuckten, ausgebrannten Kerlen wie uns kriegt die Absage schon eine Meile im vor raus.“

„Verdammt nicht mal diese Kerle können so wählerisch sein. Aber wie auch immer anscheinend sind es nur Kinder die diese Angebote kriegen.“

„Ja es ist ziemlich eindeutig das sie ihre Ziele so einengen. Ich sag dir, da geht etwas Verdächtiges vor sich.“

„Und Kirie und die andern haben scheinbar was davon?“

„Scheint so. Die Bastarde haben ihre Basis gut abgedeckt.“

“Harte Bündel ist was sie sind. Du könntest denken sie würden wenigstens etwas Abwechslung zu uns bringen. Aber nein.“

Es war schwer zu erkennen wann Sid beliebte zu scherzen und wann er ernst war, somit lachten die anderen trocken und halb-herzig einfach mit ihm mit. Aber als diese verwirrtende Unterbrechung vorbei war, viel die Stille wieder über sie.

Nicht länger in der Lage die drückende Atmosphäre zu ertragen brach Norris das Eis. „Wenn es um solches Zeug geht, war es immer Riki der die Denkarbeit übernommen hatte. Er war es der uns die Drogen brachte die der Slum sonst nie gesehen hätte.“

Nur das Nachdenken über die Vergangenheit konnte über die lustlosen, verschenkten Stunden hinweg trösten.

„Ich frage mich was er getan hat“, sagte Luke.

Wohl wissend das das nicht genug wäre fügte er hinzu, „Würde mich nicht wundern wenn er das gleiche getan hätte wie Kirie es macht.“ Unterdrücktes Lachen erhob sich in seiner Kehle. „Statt seine Freunde zu verkaufen, wie wäre es wenn jemand sich ihn geschnappt hätte? Aber ist es nicht das was Kirie schon immer sagte?“

Niemand lachte. Nach ein paar Momenten waren Lukes provokative Ausführungen einfach verschwunden ohne ein weiteres Kommentar.

„Hey was ist der große Deal? Oder meint ihr etwa alle ich hätte den Nagel auf den K0opf getroffen?“

Der Spott war deutlich in Lukes irritiertem Tonfall zu hören. Entgegen dem was er sagte lies Riki es einfach nur über sich fließen wie Wasser über Marmor. Luke kniff die Augen etwas intensiver zusammen, unfähig diese Lässigkeit hinzunehmen.

„Es ist mir wirklich egal ob du so oder so denkst. Mach weiter und glaube einfach was du willst“, sagte Riki.

Die stumpfe Abfuhr ließ Luke die Wangen in Verachtung einsaugen. „Weißt du Riki, diese Seite von dir zu sehen erweckt in mir den Drang zu kotzen.“ Er spuckte diese Worte mit angespannter Stimme aus, als würde er die Luft aus seiner Luftröhre pressen. „Du regst mich so auf das ich dich am liebsten nach vorn lehnen würde und dich ficken würde bis du um Gnade weinst.“

Niemand glaubte mehr daran das Lukes Sinn für Humor einfach aus dem Ruder gelaufen war. Der Alkohol hatte die wahre Natur seiner Verzweiflung offenbart, jetzt überall glitzernd wie Schweiß auf dem Körper eines Läufers.

Vielleicht von Lukes Anwesenheit vergiftet, oder vielleicht auch verstrickt in den eigenen Gefühlen die sich an die Oberfläche kämpften und den Nagel mit einem einzigen Schlag versenken wollten, reagierte Riki. „Wenn es das ist was du willst, dann gib dein Bestes. Aber ich möchte dann kein Gejammer hören wenn ich dich in ein schwanzloses Etwas verwandel.“

Riki lieferte diese Drohung bewusst und langsam.

Es gab keine zerlumpte, wütende Schärfe in seiner Stimme, nur kalte Gleichgültigkeit. Doch das sengende Feuer in seinen klaren schwarzen Augen wie ein ummanteltes Schwert offenbarte sich in seiner seltsamen und einschüchternden Aura. Jeder hielt den Atem an und schwieg. Sie hatten gesehen was sie eigentlich nicht hatten sehen sollen und spürten die Peitsche der Bestrafung die für solche Verfehlungen vorbehalten war.

Eine schwere bedrückende Stille folgte. Unfähig es länger zu ertragen senkte Norris abrupt seinen Blick. Sid hielt den Atem an und atmete aus, leckte sich immer wieder über die Lippen. Und Luke machte eine große Show daraus seine Flasche in einem Zug zu leeren.

Guy allein sah Riki unverwandt mit verwirrtem Blick an.

Hatte er es gewagt die Pose eines geschlagenen Hundes einzunehmen um seinen Frieden zu erhalten? Nein das war sicher nicht der Fall.

Er war ein Gefangener der Geister der Vergangenheit, und seine Sünde war mit diesen nun allein zu sein. Er sah die Wahrheit direkt an und er war zu eigensinnig um sich von den Emotionen leiten zu lassen die ein Produkt seines Egos waren?

Nein es war nicht der aktuelle Stand seines Stolzes der auf der Anklagebank stand. Die Partei unter Anklage war die Leidenschaft die sich aus dieser überraschend naiven und ahnungslosen Periode seines Lebens entwickelt hatte. Obwohl diese Leidenschaft schon lange vorbei war hatten die verehrenden, aufschauenden Augen über ihn sich nicht geändert.

Er war weit darüber hinaus damit überfüttert zu sein, bis zu dem Punkt in dem seine Überreiztheit fast schon am Überkochen war. Er würde der Sklave von niemandem sein. Keine Fesseln würden seine Hände und Füße binden. Er wäre frei, und doch hielten die Fessel der Vergangenheit, die er eigentlich hatte abwerfen wollen, ihn mit einem unsichtbaren Gewicht bei jedem Schritt gefangen.

Der Somme neigte sich dem Ende. Es war nur ein „Sommer“ vom Namen gewesen, nicht begleitet von der brennenden Hitze einer sengenden Sonne, eine flüchtige Jahreszeit die schnell verging, und nichts weiter als einen straffen turbulenten Wirbel in der Luft hinterließ.

„Eh?“ Norris reagierte einfach nur reflexartig, als hätte er etwas falsch verstanden.

Auch wenn es Mittag war so lag das Laura Versteck in vollkommener Dunkelheit. Norris schärfte sein Butterflymesser, für ihn sowas wie ein Artefakt aus seiner Vergangenheit.

„Wir werden uns Riki heute nacht schnappen“, brach es aus Luke hervor. „Das ist nicht lustig.“

Luke blickte Guillory und Sid finster an. „Ich meine das ernst.“ Norris schnaubte. „Red nicht so über deinen Arsch. Guy wird bei ihm sein, das weißt du.“

“Hey haben wir den Boden nicht schon mal gepflügt? Es ist vorbei zwischen den beiden schon seit einer Weile. Hast du das nicht gewusst?“

Auf dem Verlust der Worte hin lehnte sich Norris schweigend zurück.

„Seit Rikis Rückkehr habe ich nicht ein Wort von Yoris Rückkehr gehört.“

Norris sprach mehr mit sich selbst. „Das bedeutet nichts. Du könntest Himmel und Erde auf den Kopf stellen aber Riki wird nie deine läufige Hündin sein.“

Ob sie nun wirklich auseinander waren oder ob Guy Yori zurücknehmen würde das war etwas vollkommen anderes. Riki und Guy waren auf einer viel tieferen Ebene verbunden, tiefer als Sex. Es gab mehr als genug Beweise dieser Tatsache, genug um ihn lächerlich eifersüchtig zu machen.

Luke sollte all dies auch wissen, also warum schlug er noch immer diese Trommel? Norris konnte sich nicht einmal ansatzweise vorstellen was in Lukes Kopf vorging.

“Yo Luke. Warum geht dir das denn immernoch so nach? Gib es endlich auf… selbst Guy lacht nichtmehr drüber. Und nebenbei, Riki hat nicht nur gescherzt darüber was er dir antun würde.“

„Ja, interessant nicht wahr? Ihr reagiert alle so. Ich, zum Beispiel bin es leid mit Kerlen wie euch abzuhängen die ihren Hintern hinhalten ohne gefragt zu werden.“

Er sprach es scherzhaft aus, aber wenn seine Idee war die Sache zwischen seinen Freunden in einem scherzhaften Ton zu beenden, dann half es nicht das geringste.

„Du hast wohl etwas zu viel Starkbier getrunken und einige mehr Gehirnzellen dabei verloren was?“ Norris lehnte sich auf dem Sofa zurück, streckte die Beine aus als würde er sich fragen was es für einen Sinn hatte so weiterzumachen.

Nichts desto trotz war Luke nicht überzeugt. „Ich habe nicht gesagt das ich die Hilfe von euch brauche. Nur das ihr selbst euch zurückhaltet und artig wartet bis die Sache durch ist.“

„Entschuldige das du mich gerade nervst.“

„Auf die gute alte Zeit nehmen wir das als einen Scherz. Aber nicht ein zweites Mal.“

Luke grinste. „Warum regst du dich denn so auf Sid? Es ist lange her das Riki Bison angeführt hat und Punkte gemacht hat. Es ist jetzt etwas spät den Helden zu spielen..“

„Was zur Hölle willst du damit sagen?“ fragte Sid.

In den meisten Fällen war Sid recht teilnahmslos wenn Luke versuchte etwas anzukurbeln aber diesmal ging ihm Luke wirklich auf die Nerven.

„Der Riki von Bison auf den du mal so geflogen bist gibt es nichtmehr. Verstehst du? Der Kerl ist ein getretener Hund, aber er hat immer noch den gleichen geilen Körper wie früher. Den Arsch so fest wie eine Trommel. Nur daran zu denken macht mich hart. Nein ernsthaft. Ist es für dich nicht das gleiche? Das ist der Grund warum du mit Kirie angefangen hast? Denn er ist nichts weiter als ein Ebenbild des alten Riki. Aber den richtigen zu kriegen? Das würde selbst dich in Fahrt bringen.“

Für einige lange Sekunden starrte Sid ihn einfach nur mit einem blanken Gesicht an, als ware alles Blut aus seinem Kopf gewichen. Nur seine eingefallenen Augen brannten rot, als hätte eine andere Person sein Herz durchbohrt und gelacht über das was er dort gefunden hätte. Was Sid gerade fühlte war mehr die reine Blutlust am Morden als nur eine einfache Prügelei.

Um zu verhindern das sie sich gleich hier und jetzt an die Kehle gingen räusperte Norris sich.

„Sieh mal Sid, wenn ich Riki’s kaltes, interessiert-mich-nicht Gesicht sehe, dann werde ich so sauer das ich es nicht aushalte.“ Er sprach in einer ganz anderen Tonlage als seinem eigentlichen zynischen Ton den er bisher verwendet hatte. In der tiefe seiner verwirrten Stimme waren Lukes wahre Vorhaben offenbart. „Mit dem alten Riki hattest du das Gefühl das mit der unwillkommenen Berührung deine Finger verbrennen würden. Er war angefeuert, Mann, eine Kraft der Natur. Nur neben ihm zu stehen war wie neben einem rasenden Feuer zu stehen.“

Die Erinnerung daran war noch frisch und immer lebendig in seinem Kopf, bis zur Hitze seines Körpers.

„Und Luke! Fick nicht den Kleinen. Es ist nur Barth! Lass den Idioten fallen! Okay! Lasst uns das nicht vermasseln Leute.”

Rikis aufmunternde Reden bahnten sich ihren Weg durch den Lärm wie ein süßes Elexier, gaben ihnen einen Adrenalinstoß der starker war als jede Droge. Diese pech-schwarzen Augen. Diese Stimme. Das angenehme Kribbeln wenn er ihre Namen rief, sie inspirierte an das zu glauben was unmöglich schien, egal wie leichtsinnig es war.

„Trotz seiner gleichgültigen Art, wenn er draußen war dann war er ein verdammter Feuerball. Egal wie tief wir in der Scheiße saßen, egal wie verrückt es war, er war da und half uns aus der Klemme.“

Das Brüllen der aufgemotzten JetBikes röhrte in Anklage. Der heiße, stechende Luftstoß in ihren Gesichtern. Das echte Gefühl von „Einheit“ wenn Riki die Gruppe anführte war besser als jede Ekstase von Sex.

Heiß. Tropfend. Ohrenbetäubend. Brennend. Betäubend.

Mit Riki an der Spitze des Speers, war das Stehen hinter seinem Rücken als stünde man hinter einem heißen, weißen Nachbrenner eines Jetantriebes. Wenn Riki und Guy zusammen auf einem Bike waren dann war es Guys Vorrecht Riki die Flinte zu führen.

„Wenn es ein Zweisitzer ist dann bist du hinten. Riki ich kann nicht zulassen das du dieses wertvolle Stück von Maschine wie ein Spielzeug behandelst.“

Es war nur in diesem Fall, das der sonst zurückhaltende Guy die Schlüssel nicht rausrücken wollte. Es war nicht so das das Rad wertvoll war. Und obwohl es nicht immer zwingend eine Kritik an Rikis weit offener Drosselkappen-Fahrweise war, so war Guy nicht der einzige der die Hände über die Augen schlug. Soweit Guy betraf war es besser Riki hinter sich sitzen zu haben als seinen Rücken anzustarren und vor Angst Geschwüre zu kriegen.

Nicht nur Luke, sondern auch Norris und Sid (obwohl sie es nicht mit so vielen Worten zugeben würden) wollten sich beschweren. Warum war Guy der einzige mit solchen Privilegien?

Wenn solche Ausbrüche der Eifersucht in ihren Herzen schmorten, dann würden sie sie mit der Zeit durch und durch auffressen.

„Wenn man mit Riki unterwegs war dann hast du das Blut in deinen Adern gespürt, du hast dich gefühlt als könntest du alles tun, als bräuchtest du vor nichts Angst zu haben. Wisst ihr?“

Sid und Norris zögerten nicht in dieser Anklage zustimmend zu nicken. Sie waren auf ähnliche Weise durch Rikis Charisma verzaubert worden. 

„Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, verglichen mit den Pittbulls die wir damals waren, so sind wir jetzt eine Bande Kinder. Deshalb, auch wenn Riki sagte er würde Bison verlassen und verschwand, traute sich niemand seinen Arsch zu fassen und ihn zurückzuziehen.“

Aber das war einfach nur über verschüttete Milch zu weinen.

Du schiebst uns einfach zur Seite? Vielleicht wenn sie es ihm gesagt hätten, ihre Klauen in ihn gegraben hätten und ihn am gehen gehindert hätten, wäre alles anders gelaufen.

Alles in allem war es gerade nur Blödsinn.

„Aber aus welchem Grund auch immer, heißt das nicht das wir alle scharf auf Riki sind? Aus welchem Grund auch immer?“

Seltsamerweise ohne einen Anflug von Anmaßung oder Selbstbewusstsein leitete diese Aussage den Tag. Und so war es nur logisch zu fragen: „Aber was ist nun mit ihm los? Er wird immer gleichgültig wenn er auf Alkohol ist mit diesem komischen halb-bewusstlosen Ausdruck in den Augen.“

Die Luft der Enttäuschung war doppelt so stark. Selbst wenn ihnen bewusst war das diese eine vollkommen irrationale Reaktion war, rissen die Gefühle wie ein eiterndes schleichendes Gift sich einen Weg in ihre Herzen der Finsternis.

„Immer gibt er uns diese Blicke als wären wir in seiner Gegenwart nicht willkommen.“

Es sollten die letzten Worte sein aber sie fühlten sich an wie ein Haufen Säcke die immer die Anker der Vergangenheit hinter sich her zerrten.

„Wenn das der Fall ist dann werden wir ihn reiten bis er uns nichtmehr ignorieren kann.“

Wenn das der Fall war dann sollten sie ihn schnappen, in sein Gesicht sehen und es durchhalten bis zum bitteren Ende. Das war es was Luke sagte. Solch etwas war um einiges attraktiver als diese Dinge einfach nur hinter sich her zu schleifen ohne sie auszusprechen.

Sid und Norris starrten Luke unverwandt an.

Waren sie so überrascht von seinem arroganten Gerede das sie den Willen verloren hatten ihn in die Schranken zu weisen? Nein. Die beiden hatten einfach nichts zu sagen. Seiner unbegreiflichen Wut auf Riki Ausdruck verliehen zu haben, schien Luke für alle gesprochen zu haben, und sie fühlten keine Notwendigkeit darauf weiter einzugehen.

Die Gefühle der Überlegenheit und Selbstgefälligkeit die sie mit Riki geteilt hatten waren plötzlich einem Gefühl von Verlust gewichen, Ein unaussprechlicher Hunger und Durst ersetzte was sie eigentlich in den letzten vier Jahren gemeinsam haben müssten. Doch noch wussten sie das sie es nicht mit den gleichen Extremen aufnehmen konnten wie Luke. Betäubt mit Bestürzung, ihrer Rationalität verzogen und gebrochen, stagniert in Stille und die Zeit vergehend für sie wie Gefangene in Einzelhaft dahinsiechend. In der schweren Finsternis wurde es schwer zu atmen.

Der vertraute Klang der Tür die sich öffnete und schloss unterbrach die Luft.

Sie alle schluckten, ihre Schultern schrumpften. Als ob sie einen Schuss gehört hatten waren ihre Augen auf die Tür gerichtet.

„Was? Was ist denn los?“ fragte Riki, auf der Stelle stehenbleibend mit einem verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht. 

Aber niemand machte den Mund auf, jeder auf seine eigene Art und Weise unbeholfen den Blick abwendend.

„Wo ist Guy?“

„Er war nicht bei dir heute? Er sagte etwas von einem Effekt und das er eine wichtige Auseinandersetzung mit jemandem hätte.“ Antwortete Luke kurz angebunden.

Sid warf Luke einen drohenden Seitenblick zu. Norris gluckste vor sich hin, schließlich begreifend warum Luke den heutigen Abend für seinen Plan ausgewählt hatte.

Den schlechten Vibe ignorierend die seine Anwesenheit in den Raum brachte ließ Riki sich an seinen angestammten Platz sinken. Luke hielt ihm eine Flasche Starkbier hin. „Willst du eine?“

Riki antwortete mit einem Nicken. Er kaute auf einem geschmacklosen, festen Stück Nahrung herum und wusch es mit einem Schluck Wasser herunter, brachte dann die Flasche an seine Lippen. Während er die Zunge nach hinten rollte fühlte er die stechende Bitterkeit wie kleine Nadeln, Stück für Stück arbeitete es sich in Richtung Kehle vor.

Er hatte sich daran gewöhnt. Riki nahm einen tiefen Atemzug und atmete aus, reichte die Flasche herum. Norris schüttelte den Kopf. Nun, wenn das so war. Rikis Blick streifte aufmunternd Sid. “Nein Danke. Ich bin nicht in der Stimmung heute Abend.”

Luke lächelte dünn. Ob es ein bitteres oder spöttisches Lächeln war konnte man nicht sagen. Riki interessierte es nicht. Er zuckte die Achseln und nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche.

Es dauerte nicht lange und seine Augen begannen wässrig, berauscht zu wirken. Seine langen Glieder streckend erhob sich ein schwaches Lächeln auf seine Lippen. Norris schluckte , seine Augen weit offen. Der Seufzer der Rikis Lippen verließ verschüttete einen Hauch von Wehmut und wirkte fast niedergeschlagen. Der Tagtraum den Norris sich vorstellte war so hinreißend, dass es seine Kehle zittern lies.

Riki hatte sein offenes und unbewachtes Antlitz ihrer Augen ausgesetzt.

Normalerweise, überwältigt von den Wellen der Lust, würden sie diese versteckte Seite von ihm übersehen. Das, zusammen mit der Abwesenheit von Guy – dem einzigen Menschen der als Art Rückschlagventil für Riki in solchen Situationen handeln konnte – ätzte sich diese unerwartet lebendige Bild in ihre Netzhaut.

Sid presste die Lippen zusammen und klebte in seinem Blick auf Riki, als würde er sein ganzes Wesen verschlingen. Ein Moment in dem er selbst zögerte zu atmen. Ein Moment in dem der euphorische Wunsch in ihm wuchs ihn zu nehmen und zu durchdringen –

Innerhalb der stille, versuchen ihren Atem mit Rikis Pulsschlägen zu synchronisieren, trieben sie sich höher und höher an den Abgrund – 

Aber nichts geschah in dieser Nacht.

Im Angesicht der von Sid und Norris ungewöhnlichen Galantheit war Luke gezwungen sich in Umsicht zu üben. Oder vielleicht besser gesagt wurde ihm nie die Chance gegeben wirklich zu handeln.

Selbst mit den zwei ungeschickt Handelnden um sich herum, überwältigt von Rikis Aura, hatte Luke nicht die Müde das dünnste spöttische Lächeln zu zeigen. Aber der Hunger brannte in seiner Brust, schlimmer als er sich vorgestellt hatte, und dann diese Erkenntnis verbrühte ihn bis zum Kern.