An diesem Tag war in Sasan (Area 8) eine Auktion geplant im Untergrundturm Nummer Drei.

Auktionen gab es normalerweise im Veranstaltungszentrum im Mistral Park (Area 3). Dieses war eine geheime Auktion für die Dinge die man nicht in der Öffentlichkeit handeln konnte. Gesponsort vom Schwarzmarkt war die Auktion und die Gegend drumherum von strenger Sicherheit geregelt für vierunzwanzig Stunden am Tag, mit strenger Eintrittskontrolle für zuständiges Personal.

Nummer Fünf Terminal. Unterirdischer zwanzigster Stock. Die Gänge waren still und ruhig. Die Objekte aus dem Delviasystem zu ihrem Zielhanger H085 gebracht drehte Riki sein Gesicht himmelwärts und seufzte schwer.

Die Operation war pünktlich gewesen und perfekt abgelaufen bis sie die Ware in Delvia abgeholt hatten. Ein magnetischer Sturm war aus dem nirgendwo aufgezogen und hatte dafür gesorgt, dass alle Raumhäfen für drei Tage geschlossen wurden und die Operation sich dadurch verzögerte.

Er und erneut hatten die ihn Plasmawolken beobachtet die sich über den dunklen Himmel erstreckt hatten. „Du verarscht mich doch oder?“

„Sohn einer Schlampe!“

„Passiert das wirklich?“

„Wenn das ein Scherz sein soll lache ich nicht.“

Sie murmelte diese unnötigen Sätze halb in Trance. Wenn ein unvorhergesehener Zeitverlust durch eine natürliche Katastrophe entstand und nicht durch einen menschlichen Fehler, gab es niemanden bei dem man sich beschweren konnte. Alles was sie tun konnten war darauf zu warten das das Wetter sich besserte.

Als Konsequenz erreichte die Lieferungen erst am Tag der Auktion ihr Ziel und gelangte nur auf Umwegen die Auktionsteilnahme. Und wenn der Orte Auktion nicht Sasan gewesen wäre, einen kompletten Touristenflughafen oblag ist jeder Mann selber zu erahnen wie die Sache ausgegangen wäre.

Riki wollte sich gar nicht vorstellen was gewesen wäre, wenn er nicht rechtzeitig gewesen wäre. 

Der Stress hatte viel damit zu tun, dass es sich bei dem Event um eine geheime Auktion handelte. Diese Art von Druck die auf ihm lastete war neu für Riki. Schon mal dagewesen und öfters das ganze erlebt hatte Alec ihn aufgeheitert, „In Momenten wie diesen nützt es nichts Mutternatur zu hetzen.“

Nichts tuend außer aus dem Fenster zu starren, die leeren Stunden abwartend – war dies eine Erfahrung die er nicht wiederholen wollte.

Für den Moment ignorierte er die feinen Details gegenüber Alec. In der Halle wo die Auktion selbst stattfinden würden machte Katze letzte Arrangements. Also meldete dieser sich per Videotelefonie.

Katze konnte spüren wie erledigt Riki war. „Gute Arbeit,“ war das erste was er sagte, seine Dankbarkeit mit seinem typischen Pokergesicht ausdrückend. „Nimm dir etwas frei und genieß die Zeit. Denke nur daran das er Pass den ich dir gegeben habe dir keinen Zutritt in den Auktionsbereich gibt.“

Seine Angelegenheiten soweit klargestellt habend wie Riki es benötigte legte Katze auf, keine Gelegenheit gebend irgendwie ein Gegenwort zu erhalten. Wenn Riki etwas gewollt hatte, dann diese geheime Auktion verfolgen. Dieses Verlangen im Keim erstickt zu kriegen murrte er leise frustriert vor sich her.

Was war so anders von diesen normalen Auktionen die sonst im Mistral Park stattfanden? Seine Neugier war einfach zu stark, es war zu schwer diese zu zügeln für einen kleinen Untergrundkurier.

Nun, scheiße gelaufen für mich, entschied er. Kein Grund sich darüber nun aufzuregen. Er war sich sicher das er noch viele weitere Gelegenheiten haben würde. Nun war es einfach an der Zeit Feierabend zu machen, und er fühlt sich doch sehr zufrieden diesen Job endlich zu einem Ende gebracht zu haben.

Rikis noch immer verdunkelte Mine war nicht das Ergebnis des unerwarteten Wetters das ihre Pläne durcheinander gebracht hatte, oder der angestaute Stress und die Anspannung die ihre Reise ihnen gebracht hatte. Vielmehr war es dieser einfach Job etwas hin-und-zurück zu transportieren der ihn mit einer gewissen Unzufriedenheit erfüllte. 

Als er seine Bedenken aussprach sagte Alec ihm „Kind du bist zehn Jahre zu Jung um dich wegen sowas aufzuregen. Die Lakeien meckern immer über alles. Das ist das Gesetz des Universums.“

Alec brachte ihn recht schnell wieder runter, aber Riki wollte raus aus dem Frachtverkehrgeschäft. Die Schiffe hielten an Häfen die auf einer festen Route lagen, nahmen die Waren auf, und beförderten sie. Das war Routinearbeit die selbst die Megisto hinbekamen.

Am Frachthafen festzusitzen war genug das Riki sich fragte ob er irgendwo auf der Strecke einen Fehler gemacht hatte. Dank dieses Jobs waren er und Guy sich von Tag zu Tag fremder geworden.

Nichts anderes kennend als die erstickende, steife Luft der Slums war die Erwartung und Erregung auf die Reisen mit Frachtschiffen durch die Galaktik etwas gewesen das weit über seine Vorstellung ging. Planeten zu besuchen von denen er nie gehört hatte, eine Menge an Leuten verschiedenster Arten zu treffen, unbekannte Sprachen zu hören, die Häfen immer brummend mit dem Fremden und Unerwarteten.

Aber dieser juckende Sinn für Abenteuer verschwand sehr schnell. „Wie du hast keinen jugendlichen Charme mehr in dir? Bist du etwa schon so alt geworden? Wusstest du denn nicht das Neulinge sich erst hocharbeiten müssen um dazu zu kommen, an den Punkt wo siue sich nichtmehr auf die Arbeit konzentrieren können?“

Aber mit atemberaubender Geschwindigkeit gewöhnte Riki sich an die Routine und wollte mehr.

Sein Leben hatte sich auf den Kopf gestellt und es war fast so wie damals als er nach Guardian gekommen war, abgesehen davon das sein Alter, die Entwicklung seiner Gedanken und das Bewusstsein das seine Ziele komplett anders waren. Vermutlich war das auch der Grund warum jeder vollendete Auftrag in ihm die Lust nach mehr weckte.

Das was ihn zurückgehalten und beengt hatte war von ihm abgefallen. Oder eher war sein Verlangen danach seine Zeit nicht einfach zu vergeuden in ihm immer mehr gewachsen.

"Deine Augen sind größer als dein Mund, Junge. Iss einen ganzen Kuchen auf einmal und du wirst es bereuen. Mach langsam. Nimm es wie es kommt, das ist wichtig." Sprach er mit einer ehrlichen Bestimmtheit. "Denn die Zeit wird kommen, egal wie sehr du es auch nicht mögen wirst, wenn du schneller rennen musst als du kannst.  Und wenn es soweit ist dann wird es dir nichts gutes tun."

Riki verstand was Alec ihm sagen wollte. Nun musste er sein Temperament zügeln und die Erfahrungen zu sammeln sollte Priorität haben. Aber er wollte Jobs die mehr Inhalt hatten als Stunden abzusitzen beim verschieben von Dingen von A nach B.

Es war als würde er auf die nervenzerfressenden, heißen Tage bei Bison warten, aber diese Ära war so in seine Haut gezogen und nun irgendwo in seinem Inneren am köcheln. Er hatte lange und hart darüber nachgedacht als ihn ein harter Schlag auf den Rücken traf.

"Danke furs Warten, Riki. Es ist schon verdammt spät aber lass uns was zu Essen finden."

Als wäre er plötzlich aus einem Schlummer erweckt worden begann Rikis Magen lautstark an zu knurren. Um es genau zu sehen waren sie seit ihrer Ankunft am Flughafen unter Stress gewesen und so war er nichtmal in der Lage gewesen Zeit zu findet etwas aus einem Automaten zu essen.

Egal wie sie hatten die Lieferung rechtzeitig abzugeben. Ohne einen anderen Gedanken im Kopf hatte er nichtmal auf das Hungergefühl seines Magens reagiert. Aber nun bemerkte er seinen leeren Magen und er bemerkte auch wie müde er eigentlich war.

Alec fühlte sich genauso. „Ja dieser Stress vom Tor an war echt anstrengend“, murmelte der sonst so lockere Alec. Doch diesmal zeigte sich die Anstrengung.

Als alles gesagt und getan war war die Müdigkeit mehr geistig als körperlich. Sie kletterten in den nun leeren Gabelstabler. Ohne ein Wort zwischen ihnen fuhr Alec diesen zu den Frachtaufzügen die als Verbindungswege dienten.

Gott ich wird mir erstmal den Bauch vollschlagen und dann eine Woche durchschlafen. Aber es so weit gebracht zu haben um nun den ganzen Weg zurückzugehen und sich in Guys Bett ausstrecken zu können kam ihm wie eine einzige Qual vor. Riki streckte gähnend die Arme und Beine aus, lehnte sich zurück und lies seine Gedanken und Blicke schweifen.

Die Silhouette eines Mannes erschien in seinen Augenwinkeln.

Plötzlich war er wieder hellwach, richtete seinen Blick aus. Er hatte gedacht, dass sie die letzten wären die noch da waren und das niemand mehr hier wäre. Aber es schien nicht der Fall zu sein.

Drei Männer. Huh, dachte Riki. Also waren Alec und er nicht die einzigen Lieferer die noch damit zu kämpfen hatten pünktlich zu liefern .

Oder auch nicht.

Ein teures kleines Flugauto stand vor der Tür H-010. Es war nicht das gleiche wie die Servicegabelstabler die er und Alec benutzten. Beurteilend auf das Auto, war es wohl einfacher zu sagen das es zu dem Besitzer der Cargo gehörte anstatt zu einem der Lieferanten.

Und ohne Zweifel war dieser große Mann der Anführer.

Er war gekleidet in einem dunkelblauen Anzug der selbst aus dieser Entfernung den Eindruck machte maßgeschneidert zu sein, vermutlich der Kleidungsstil der für die Auktion vorgeschrieben war die bald beginnen sollte. Selbst von hinten  wirkte seine durchtrainierte und gut ausbalancierte Figur mehr als überzeugend eine bestimmte Art an Autorität auszustrahlen.

Die Personen mit den Waren, die aus der Menge herausstachen die konnte man überall entdecken. Unnötig zu erwähnen das es eine Seltenheit war das ein Mann allein durch seine Statur sich von anderen abhob. Ob nun Gut oder Schlecht war eine andere Sache.

Die „ausgewählten Männer“ existierten wirklich. Sein Dasein als Kurier hatte Riki die Möglichkeit gegeben einige Arten von Menschen zu beobachten. Er hatte inzwischen gelernt das solche „ausgewählten Männer“ keine Erfindung der Medien waren.

Passend zu seinen Erwartungen verbeugten sich die beiden anderen Männer tief vor ihm.

Hoh. Definitiv war das ein hohes tier. Er musste der Besitzer selbst sein. Und das er seinen Weg hier runter gefunden hatte musste bedeuten das es sich um sehr teure Ware handelte.

Augenscheinlich den Grund für seinen Besuch beendet zu haben drehte der große Mann sich um.

In diesem Moment—

Rikis ermüdeter Körper versteifte sich als ware er von einem elektrischen Schlag getroffen worden.

Das kann nicht sein—

Seine Augen öffneten sich in schierer faszination, fokusierend wie ein Laser auf das Gesicht des Mannes der auf den Transporter stieg. Nach all diesen Monaten. Das Gesicht das er nicht vergessen konnte egal wie müde er auch war war genau vor ihm. Seine Haare waren kurz geschnitten und in einem braun gefärbt, aber es gab keinen Zweifel an der kalten, wunderschönen Art die von diesen kobaltblauen Augen ausging.

Warum? Warum hier?

Die Warums beiseite legend hatte sich der brennende Schock tief in seinem Inneren gesammelt und schlug nun hart gegen seinen Hals. Dieser Sohn einer Hure! Die Worte herunterschluckend biss er die Zähne zusammen und griff nach Alec‘s Arm.

"Was?"

"Stop!"

"Eh?"

"Halt das Ding an. Ich hab was zu erledigen."

"Etwas das du tun must?” Alec runzelte die Stirn als Riki vom Gabelstapler sprang bevor Alec ihn zum Halten bringen konnte.

"Hey Riki!" rief Alec ihm noch in einer unnatürlich lauten Art nach.

Aber Riki war schon losgerannt, zeigte keine Zeichen davon zurückzukommen oder stehen zu bleiben. Er konnte sich selbst nicht stoppen auch wenn er gewollt hätte. Er rannte seine Augen fixiert auf das was vor ihm lag um das kleine Gefährt nicht aus den Augen zu verlieren das sich in Abstand vor ihm befand. Was er tun würde wenn er es erreicht hatte hatte noch nicht seine Gedanken erreicht. Jeder Gedanke war nur darauf ausgerichtet seinen Körper vorwärts zu bewegen.

Und noch immer wusste er nicht den Namen des Mannes. Nur das er ihn bis zu seinem Herzen missbraucht hatte und ihn am Ende mit „Petgeld“ bezahlt hatte, was ihm einen harten Schlag ins Gesicht versetzt hatte. Riki hatte keine andere Option als herauszufinden wer es war.

Aber wenn man die Gründe aus ihm herausgepresst hätte, dann hätte er wohl gesagt das er gerne gewusst hätte warum ein Tanagura Blondie durch den Ärger gehen würde seine Identität zu verstecken um eine Schwarzmarktauktion zu besuchen. Und wo zur Hölle ging er hin?

Das Gefährt fuhr rechts und dann links um eine Ecke, folgte einer Route die komplett anders war als die der Anlieferungen. Es hielt vor einer Reihe von Türen an einem Ausgang den Riki nicht kannte.

Der Mann stieg aus und fischte eine Schlüsselkarte aus seiner Brusttasche, zog diese durch den vorgesehen Spalt. ER trat durch die Tür ohne zu zögern und verschwand im Inneren:

Riki brummte frustriert auf. Er sprang zur Tür ohne auch nur eine Idee davon zu haben ob seine Schlüsselkarte in diesem Hochsicherheitsbereich funktionieren würde. Es war kein Kinderspiel, das war sicher. Und was wäre wenn die Tür einen Alarm hätte? Und wenn er in dem Versuch erwischt werden würde? Nach all dem was er geleistet hatte würde es nur darin enden das er den Job als Konsequenz verlieren würde?

Aber er konnte auch nicht einfach hier stehen und nichts tun. Mit all diesen Konsequenzen in Gedanken zog Riki seine Schlüsselkarte durch den Spalt.

Die Tür öffnete sich so bereitwillig das Riki über seine Angespanntheit lachen musste. Dennoch öffnete sie sich nicht schnell genug für ihn und so duckte er sich darunter hinweg. Er hatte schon damit gerechnet das der Mann lange verschwunden sein würde. Glücklicherweise erwies sich die andere Seite als einen langen geraden Korridor.

Den Blick wieder auf den nun so bekannten Rücken haftend entkam ihm ein spontaner Seufzer der Erleichterung. Der Mann lief mit graziösen, direkten Schritten weiter. Riki beeilte sich ihm zu folgen um ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

Dadurch das seine Sinne komplett auf die Verfolgung des Mannes konzentriert waren bemerkte Riki nicht wie die Farbe des Bodens sich änderte, oder die leise schließenden Türen die hinter ihm den Weg abschnitten, oder die Wände die sich zu beiden Seiten leicht öffneten um neue Durchgänge freizulegen.

Er lief noch eine Weile weiter von der er nicht wusste wie lange. Mit langsamen Schritten trat der Mann um eine rechte Ecke und schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

„Eh?“ Überrascht dem Sinn seines Weges beraubt blieb Riki  irritiert auf der Stelle stehen. Wo zur Hölle war er hin? Er fühlte sich als hätte ein Gummiband das sich überdehnt hätte sich gelöst und ihn hart auf die Finger getroffen.

Gott sei dank musste er nicht lange nach etwas suchen das nicht da war. Ganz am Ende des Ganges war eine einzelne Tür, schwarz und anscheinend aus Stahl gemacht.

Riki starrte sie ohne zu blinzeln an.

Es gab keinen anderen Weg den der Mann gegangen sein konnte.

Dennoch konnte Riki keinen Schritt gehen. Die komische Aura dieser Stahltür war unumgänglich, das war es was jedoch nicht das sein Stehenbleiben auslöste. Es war als würde etwas oder jemand – ein Freund oder Begleiter – ihn am Arm halten und rufen: Geh nicht dorthin!

Als er noch in den Slums der Anführer von Bison gewesen war hatte er dieses Gefühl einige Male gehabt. Eine Art Vorhersehung die er sich nicht wirklich erklären konnte. Nicht sowas wie ein Lichtblitz. Oder auch ne geistige Notiz die ihm sagte wohin er gehen sollte. Und auch hatte er es nicht immer gefühlt. Es kam unvorhersehbar, aus dem Nichts.

In manchen Momenten griff eine Hand nach seinem Arm. In Anderen war es wie ein elektrisches Kitzeln in seinem Nacken. Es war nichts das er mit Worten beschreiben konnte. Es war die Art von Geschehen die er nicht einmal Guy erzählt hatte. Die Art von Wissen von dem er nicht einmal wusste woher er es hatte, garantiert nicht von Geburt an.

Aber Riki wusste das es mehr auf der Welt gab als das was man mit den eigenen Augen sehen konnte. Während seiner Jahre in Guardian gab es diesen Jungen in seinem Block der ein Jahr jünger war als er. Autistisch, und seine kränkliche Erscheinung mit vielen körperlichen Gebrechen begleitet, sah er um einige Jahre jünger aus als er war.

Was wohl auch der Grund gewesen war warum er Dinge sehen konnte die andere nicht hatten sehen können und Dinge hören die anderen Kinder nicht hören konnten.

Die erwachsenen „Mütter“ sagten das seine Krankheiten diese Halluzinationen auslösten. Aber diese Erklärungen waren nicht genug, definitiv nicht genug um die irritierenden Erfahrungen zu erklären die Riki aus erster Hand erfahren hatte.

Realität und Einbildung und die Wege in den Himmel. Die Entfernungen zwischen Halluzination und Faszination. Die Unsicherheiten des täglichen Lebens, Zeit und Zeitlosigkeit.

Und der unbeschreibliche Schmerz.

Im Rückblick war es auch möglich das Aire –sein Talisman und Beschützer, der ihn nicht einen Moment verlassen hatte – diesen „Blick“ ebenfalls hatte.

Also war vielleicht etwas im Wasser oder der Luft in Guardian, dem so genannten Garten in den Slums. Guardian Engel oder Dämonen aus der Hölle, Riki war sich nicht sicher was es war. Er war immer mehr sich dieser Gefühle bewusst geworden nach einem bestimmten Geschehen, aber selbst das hätte einfach nur eine andere Einbildung sein können.

Ein Hebel war in seinem Kopf umgelegt worden und eine Tür hatte sich geöffnet. Wenn er dies Guy erzählen würde, dann würde dieser ihn bemuttern und bewachen und so dachte Riki es wäre das besten wenn er schweigen würde. Nachdem er Guardian in die Slums verlassen hatte und selbst als er zu einem Kurier wurde, hatte er nicht einmal gegen eine dieser Eingebungen gehandelt.

Nichtsdestotrotz starrte Riki die Tür an als würde er sich endlich befreien wollen von der Schwäche und Passivität zum ersten Mal. Er war so weit gekommen und nun war nicht die Zeit zu zögern. Je länger er mit sich haderte desto weiter würde der Mann sich von ihm entfernen.

Aber würde diese Tür sich auch wirklich öffnen, einfach so? Die alte Art wie diese gemacht war erweckte sein Misstrauen. Hoch darüber hing eine zweiköpfige Schlange, den Kopf erhoben auf ihn niederstarrend. Eine goldene Schlange mit Augen aus großen Rubinen.

Darüber hinaus hatte die Tür nur einen einfachen Türknauf und keinen Kartenslot. Er überlegte ob diese Tür nicht ein viel höheres Sicherheitssystem mit visueller Technik verwendete und die Schlange Teil davon war. Wird diese Schlange mich mit einem Laser treffen? Vermutlich war das die Quelle dieser unbeschreiblichen Aufregung die er seit einigen Minuten fühlte.

Aber am Ende seiner Analyse hatte die Neugier seine Anspannungen überflügelt. Persönliche Entschlossenheit siegte. Wenn er jetzt zurückweichen würde, dann würde er das für den Rest seines Lebens bereuen.

Zurückweichen und mit dem Versagen zu leben oder vorwärts gehen und den Tag später bereuen. Wenn er gefragt worden wäre was besser wäre egal für welchen Pfad er sich entscheiden würde, dann währe es für ihn sicher besser den Weg in den Kampf zu gehen und zu bereuen statt sich zurückzuziehen vom Schlachtfeld.

Riki holte tief Luft. Mit all seiner körperlichen Anspannung griff er nach dem Türknauf, drehte ihn und zog.

In diesem Moment überkam ihn die Erinnerung an die Nacht in der er den Mann das erste Mal getroffen hatte. In dieser Nacht war Riki voller jugendlicher Arroganz in das Zimmer im Minos getreten. So wie er es gerade auch tat.

Und sein Stolz hatte den Niedergang seines Lebens erlebt.

Welchen Einsatz hatte er also diesmal? Die Zweifel die durch seine Gedanken wanderten verschwanden sobald er durch die Tür getreten war.

Innen herrschte eine irritierende bläulich-leuchtende Dunkelheit. Kein Himmel und keine Erde. Eine stille blaue Welt soweit das Auge reichte. Selbst die Sterne am Nachthimmel schienen zu fehlen, genauso wie der Nachthimmel selbst, erweckten den Eindruck einer fremden Dimension aus unerträglicher Einsamkeit.

Was zur Hölle ist das für ein Ort? Für eine lange Minute stand Riki einfach nur angewurzelt da, seine Gedanken wanderten umher.

Er konnte den großen Mann nirgendwo sehen. War er überhaupt hier entlang gegangen? In diesem Moment schien etwas in seinem breiteren Sichtfeld aufzutauchen. Mit einem Keuchen kam Riki wieder zur Realität zurück. Als er in die entsprechende Richtung sah gab es nichts anderes als eine Reihe kleiner Wellen in der blauen Masse der Stille.

„Bilde ich mir schon Sachen ein-?“ fragte er sich mit einem tiefen Seufzen. Er war sich seines schneller werdenden Herzschlages bewusst. „Ich glaube nicht.“

Vielleicht waren dies die Nebeneffekte der Aufregung die er seit ein paar Minuten schon fühlte. Mit jedem weiteren Schritt hier her hatte er sich mehr und mehr aufgeregt. Er lächelte über sich selbst in Selbstironie. Warum bin ich so nervös? Dieses Arschloch rennt sicher noch irgendwo hier herum.

Den Kopf schüttelnd als wollte er dieses klammernde Unwohlsein abschüttelnd senkte er seinen Blick auf den Boden. Dastehen wie auf einem Steg über dem weiten, dunkelblauen Meer fühlte er wie seine Augen sich auf einen Fleck konzentrierten. Eine verwirrende Präsenz starrte ihn an.

Was auch immer es war, sein Blick bohrte sich in Riki, ging durch ihn durch. Es war schon fast so als wären dessen Pupillen aus dem Auge verschwunden – und nur noch das goldene Licht übrig das aus den Augenhöhlen kam.

Das war keine Illusion. Riki konnte sich nicht sicher sein was er sah, aber die goldenen Augen hatten ihn sicher im Blick. Rikis Herzschlag begann in seinem Brustkorb zu rasen. Er konnte den Blick nicht abwenden, als wenn seine Augen an diesem Punkt festgewachsen wären.

Es gab keinen Wind aber das dunkle grüne Haar flatterte in leichten Bewegungen. Die weiße Hautfarbe verschmolz mit der Umgebung wie eine leuchtende Halluzination. Es gab dieses bläuliche, elektrisch wirkende weiße Licht das seinen Körper überzog wie Silberfäden. Riki erkannte nun endlich das dieser Raum ein einziges großes Aquarium war.

Und dieses Wesen darin war nicht wirklich eine Person. Ein halb Mensch, halb Fisch Mischling. Seine Füße waren das einer Meerjungfrau. Sein Mund teilte das Gesicht von einem Ohr zum anderen und beinhaltete messerscharfe Zähne. Die dreizackigen Klauen die am Ende seiner Flossen wuchsen trugen noch zu der grotesken Erscheinung bei die Riki den Magen umdrehte.

Kein Wort kam über seine zitternden Lippen. Erschrocken auf der Stelle stehend begannen seine Beine zu zittern. Kalter Schweiß trat auf seine Stirn. Seine Hände wurden feucht. Endlich brach Riki die Steifheit seines Körpers, schluckte schwer und begann einfach zu rennen.

Aber egal wie sehr er suchte er konnte den Ausgang nicht finden. Scheiße! Das konnte doch nicht wahr sein. Was zum Teufel geht hier ab?

Das gnadenlose pulsieren in seinen Schläfen war das Schlagen seines eigenen Herzens. Rikis Lippen wurden bleich als sein Gesicht blass wurde. Chaotisch über die Wände rasend verfolgte der Halb-Mensch ihn durch die durchsichtigen Wände wie ein Jäger auf Beutespiel.

Zur Erkenntnis kommend das die Tür durch die er gekommen war irgendwann verschwunden war traf ihn ein kalter Schock bis ins Mark. Er fror auf dem Stand ein.

Leises, unterdrücktes Lachen kam anscheinend nirgendwoher. Riki unterdrückte nur schwer den aufsteigenden Schrei als eine unsichtbare eiskalte hand sich um sein Herz legte. Die untere Hälfte seines Körpers begann zu zittern.

Das stete Geräusch von Schritten die näher und näher kamen, sich im Rhythmus seines Herzschlages näherten. Als es näher kam schloss sich die Anspannung noch weiter um seinen Hals, das Wesen das die blaue Dunkelheit unerwartet erhellte lächelte Riki kalt und charmant an.

Riki war zu überrascht um eine Reaktion zu artikulieren, aber aus irgendeinem ihm unverständlichen Grund fühlte er sich erleichtert. Diese beiden unvereinbaren Emotionen warfen seine Gedanken hin und her, als Riki den wortlosen Schrei unterdrückte der auf seinen Lippen lag.

Im nächsten Moment gaben seine Beine unter ihm nach.

Als wäre seine körperliche Reaktion eine Art Auslöser gewesen füllte sich der Raum mit einem sanften Licht, welches eine Reaktion aus der Kreatur lockte die ihn verfolgte. Sie drehte sich um und rannte, verschwand aus dem Sichtfeld innerhalb von Sekunden.

„Kann ich dir aufhelfen?“ fragte eine sanfte, kalte Stimme die Riki nie vergessen würde selbst wenn er wollte. Er sprach in der Art die indizierte das er ein Lachen unterdrückte und in Rikis giftigem Blick war der Hals des anderen wirklich vor Humor zitternd. „Oh stimmt. Du hasst es in der Schuld anderer zu stehen.“

Verdammter Sohn einer Hure!

Zähne knirschend schluckte er die Antwort runter, kroch auf alle Viere und versuchte aufzustehen

Scheiße-!

Zu so einem Zeitpunkt auch noch in diese erniedrigende Haltung gebracht zu sein vor diesem Mann. Sein Hals brannte. Die einfache Art seiner Situation war schon erniedrigend genug aber er konnte einfach nicht die Energie aufbringen aufzustehen. Auch wenn er es schaffte seine Beine unter seinen Körper zu kriegen wollten seine Knie nicht aufhören zu zittern.

„Was für eine unerwartete Begegnung das doch ist. Ich hätte nie erwartet dich hier zu treffen.“ Er sprach lässig und ohne Anerkennung, lächelte kalt in einem Mundwinkel. „Was ist los? So aufgeregt mich zu sehen das du die Sprache verloren hast?“

“Was—zum—Teufel—war—das—?”

Soweit gekommen schluckte er seinen Stolz herunter und spielte auf hart. Dieser Mann hatte inzwischen alles gesehen – Jede Art von Scham und Unsinn und Verängstigung und Schwäche. Also war es Zeit zum Wesentlichen zu kommen und den Levelausgleich für später aufzusparen.

„Ein experimentaler Prototyp. Die Entwicklung für die militärische Verwendung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.“

„Klingt ja niedlich, aber denkst du wirklich du wirst damit davon kommen wenn ich das den hohen Tieren des Commonwealth sage? Ich denke sie haben da auch noch was mitzureden.“

Mit solchem Mut konfrontiert zu werden regte den Mann nicht einmal zu einem Augenzucken an. „Na, na, du hast dich ja schnell wieder unter Kontrolle. So eine Antwort hatte ich nicht von einem Mann erwartet der kurz zuvor noch dabei war sich fast in die Hose zu machen.“

Seine Worte waren so gut wie ein harter Schlag ins Gesicht. Die Erniedrigung sammelte sich nur in Rikis Augen und er starrte mit kaltem Blick zurück.

„Schau mich nicht so unartig an. Das sorgt nur dafür das ich dich wieder schreien hören will.“

Das kalte Lächeln des Mannes wurde noch kälter. Sich daran erinnern wie er mit Riki gespielt hatte ließ seine Seele brennen. Es war anders diesmal, irgendwie – und es sollte anders enden.

„Und du bist noch immer dir gleiche Ratte.“

„Wo ist der Ausgang?“

„Es gibt keinen Ausgang.“

Rikis Augen öffneten sich in Überraschung. Mit einem Schlag kam die einseitige Niederlage die er in der Nacht in Midas erlitten hatte mit all der Melancholie wieder zu Leben. Er schaffte es die sich aufstauende Wut zu bändigen. Es hier und jetzt drauf ankommen zu lassen würde dem Mann nur noch mehr Chancen geben ihn zu erniedrigen.

„Ich bin nicht hergekommen um mit dir zu diskutieren. Wo ist der verdammte Ausgang?“

„Mich zu erpressen wird die Situation nicht ändern, Riki.“

Die simple Art wie der Mann seinen Namen aussprach lies Riki stocken. Woher weiß er wie ich heiße?

Das Kernstück von Rikis Irritation erkennend fuhr der Mann leise fort, „Hatte Katze dich nicht gewarnt nicht zu neugierig zu sein?“

Katze? Eine Welle kalten Wassers senkte seine aufflammende Wut. Was war hier los? Worum ging es hier? Warum sollte er den Namen Katzes von diesem Mann hören?

„Um so besser das wir zu einer Einigung kamen bevor es schlimmer wurde als nötig.“

Riki starrte ihn noch immer an. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass die Narbe auf Katzes Wange etwas mit diesem Mann zu tun haben könnte.

„Für einen Mongrel war er nicht dumm. Er zeigte mir eine schöne Zeit. Dennoch, ich hatte bessere Verwendung für ihn als ein medizinisches Experiment. Wie ist das mit dir?“ Ein Unterton von unterdrückter Brutalität schwang in seinem arroganten Ton mit.

„Wer zur Hölle bist du?“ Riki bemerkt das seine Lippen zitterten.

„Iason Mink. Ein einfacher Blondy der für immer außerhalb der Reichweite des normalen Menschen ist.“

Er lügt sicherlich! Riki schluckte den Drang herunter zu schreien. Langsam trat er zurück. Er ist was? Er ist wer? Ein einfacher Blondy? Das konnte nichts anderes als Ärger für ihn bedeuten.

Er trat einen Schritt zurück. Und noch einen.

Der Dritte kam nie.

Iason griff nach seinem Arm und zog Riki an sich. Nicht nur sein Gesicht sondern Rikis ganzer Körper versteiften sich in Schock. Iason griff nach seinem Kinn und drehte es zu sich.

„Du hast dich seit dem letzten Treffen verändert.“ Iason fixierte ihn mit seinem Blick. „Sie sagen du bist auf dem Markt als ‚Riki der Schwarze‘ bekannt. Die alten Wunden müssen so schwer für ihn sein wenn er dich ansieht. Kein Wunder war Katze so ein Schwächling.“

Als Riki sich diese Worte durch den Kopf gehen ließ war er sprachlos. Für einen Mongrel der nach Luft schnappte in einer erstickenden, unterdrückten Atmosphäre der Slums war ein Kurierjob etwas das aus dem Himmel fiel in einer einmaligen Situation

Aber was wenn es nicht einfach aus Glück geschehen war? Was wenn es einen anderen Grund gegeben hatte? Riki fühlte die kalten Tentakeln dieser Gedanken in seinem Nacken, daran denkend das Katze ihn vielleicht verraten hatte.

Aber wofür? Was hatten ein Broker der in den Slums aufgewachsen war und ein Tanagura Blondy miteinander zu tun? Er konnte es sich nicht vorstellen, egal wie sehr er darüber nachdachte.

Sie hatten eine Falle gestellt. Aber warum? Er hatte nur nach Ärger gesucht und er bekam ihn normalerweise auch somit dachte er es wäre normal. Aber nun das? Was war das alles hier? Etwas war los. Etwas das er nicht verstand—

Als er darüber nachdachte kochte seine Wut über. Er hatte das Gefühl das alles was sein Leben lebenswert gemacht hatte langsam zerbröckelte. Für eine Sekunde, wurde die Welt vor seinen Augen schwarz.

„Was willst du mit mir tun?“

„Was willst du das ich mit dir tue?“ Iason lachte in Rikis geweitete Augen.

In dem Moment konnte Riki die Gänsehaut die seinen Rücken entlang kroch nicht weiter ignorieren.